D 2018, 93 min
FSK 12
Verleih: Eksystent
Genre: Dokumentation
Regie: Beatrice Behn, René Gebhardt
Kinostart: 30.05.19
Georg Friedrich Haas ist bereits ein weltbekannter Komponist, als er mit über 60 Jahren Mollena Williams kennenlernt. Die afroamerikanische Performerin, Sexualpädagogin und Autorin beschreibt in einer ihrer Bühnenperformances, wie sie bei ihrem ersten Date „Blinded By Orgasm Headaches“ auf die Couch sank, während Haas ihr seine Liebe erklärte. Wenig später sind der österreichische Musiker und die schlagfertige Williams ein Paar, sie heiraten, schließen einen Ehevertrag und beginnen, auch auf künstlerischer Ebene zusammenzuarbeiten. All das wäre nicht mehr als eine wunderbare Liebesgeschichte mit einem Schuß Kinky Sexiness, wenn die beiden nicht Meister und Sklavin in einer BDSM-Beziehung wären.
Der Dokumentarfilm THE ARTIST & THE PERVERT läßt Haas und Williams kommentarlos ganz direkt zur Sache kommen und triggert damit beim Zuschauen gleich einen ganzen Strauß von Vorurteilen. Ein Musikstar (der noch dazu aus einer Nazifamilie stammt), der eine afroamerikanische Frau züchtigt, dominiert und beherrscht? Eine intelligente und ausgesprochen selbstbewußte Frau, die sich freiwillig in die Rolle der dienenden Ehefrau begibt und auf ihrer Hochzeitsgeschenkeliste Peitschen und Dildos auflistet?
Kann eine solche Beziehung wirklich – wie behauptet – auf „beiderseitigem Einverständnis und Liebe“ beruhen? Oder haben wir es mit einer besonders perfiden Kombination aus Rassismus und Sexismus zu tun? Und wer kann sich eigentlich anmaßen, das zu beurteilen? Ein oberflächlicher Blick reicht sicher nicht aus, um sich in diesem Universum zu orientieren. Da ist es gut, daß das Paar über genügend Sendungsbewußtsein verfügt, die Kamera mehr als ein Jahr lang im Alltag zu dulden, der tatsächlich von Achtung, Empathie und ja, auch von Sex geprägt ist.
Vielleicht ist es am Ende dennoch weniger die Vorliebe für Bondage etc., sondern die radikale Offenheit der beiden, die es einem so schwer macht, sich zu diesem Liebespaar zu verhalten. Was sonst hinter geschlossenen Jalousien abläuft, wird täglich auf der offenen Bühne ihres Lebens zelebriert. Der Film ist nur eine weitere Ebene dieser Selbstinszenierung. Ob man das befremdlich findet oder als eine Art von radikaler Beziehungsarbeit versteht, wird wohl jeder selbst beurteilen müssen.
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.