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The Ballad Of Genesis And Lady Jaye

Eine Liebesgeschichte in Extremen

Eine kurze Einführung für all jene, denen, wie zunächst auch dem Verfasser, der Performancekünstler und Musikpionier Genesis Breyer P-Orridge kein Begriff ist: Genesis ist Gründungsmitglied der Künstlergruppe Coum, deren explizite Kunstshows in den 70ern in Großbritannien für große Skandale sorgten. Außerdem war Genesis jahrzehntelang Frontmann/-frau der Industrial-Pioniere „Psychic TV.“

Wenn es auch ein Klischee ist, einen Künstler als jemanden zu stilisieren, der stets Grenzen auslotet und sie zu durchbrechen sucht, in Genesis’ Fall ist Grenzgänger eine echte Untertreibung. Ob Gender, Religion oder eben Sex: Man kann wahrscheinlich jedes große gesellschaftlich relevante Thema nehmen und feststellen, daß Genesis es in seinem Gesamtkunstwerk Leben zum Frühstück verspeist und als verstörend-betörendes Kunstwerk lauthals wieder ausgebrochen hat. Daß jemand so Extremes seine große Liebe, seinen Seelenverwandten findet, scheint äußerst schwierig. Umso schöner das Wunder der Liebe, wie es Genesis mit seiner Partnerin und Muse Lady Jaye zuteil wurde.

Dieser Liebe gibt die Ballade angemessen viel Raum und wird zum bewegenden Porträt zweier Künstlerseelen, die sich gesucht und gefunden haben. In beider Welt existiert keine Grenze zwischen Kunst und Leben. So verwundert es auch nur kurz, daß die beiden im Zuge eines neuen Kunstprojekts beschlossen haben, eins zu werden, und das wortwörtlich mit Haut und Haar. Per Schönheits-OPs und abgestimmtem Kostümfundus wollten beide zu einem gemeinsamen Wesen werden, das Grenzen wie Geschlecht und Körper einfach abstreift. Wenn man die „abgefahrene“ Manifestation dieses Liebesverständnisses einmal außen vor läßt, kommt man nicht umhin, die Beziehung als unheimlich romantisch wahrzunehmen. Ob man nun das „unheimlich“ oder das „romantisch“ stärker betonen möchte, bleibt dem Betrachter überlassen.

Daß so eine intensive Liebe auch einen extrem tragischen Ausgang haben muß, scheint inhärent. Mit dem plötzlichen Tod der viel jüngeren Lady Jaye, die Genesis im Übrigen – für alle, die sich fragen, wo man denn so seinen Seelenverwandten trifft – in einem SM-Keller kennenlernte, fand zumindest die irdische Beziehung der beiden 2007 ein jähes Ende. Der Film erhält damit in seinen vielen Facetten ungewollt eine weitere Ebene. Er ist nun auch Andenken an Lady Jaye.

Originaltitel: THE BALLAD OF GENESIS UND LADY JAYE

USA/F 2011, 75 min
Verleih: Arsenal Institut

Genre: Dokumentation, Biographie, Schicksal

Regie: Marie Losier

Kinostart: 05.01.12

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...