Originaltitel: THE BANSHEES OF INISHERIN

Irland/GB/USA 2022, 115 min
FSK 16
Verleih: Disney

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Barry Keoghan, Kerry Condon

Regie: Martin McDonagh

Kinostart: 05.01.23

4 Bewertungen

The Banshees Of Inisherin

Wenn Sinnkrisen Körperteile kosten

Die Bewohner der irischen Insel Inisherin verbringen ihren Alltag unberührt vom Bürgerkrieg, einander verbunden, auf Gedeih und Verderb. Meist Letzteres: Wenn mal eine Frau im Pub trällert, ist das als kultureller Höhepunkt zu verstehen. Männergespräche drehen sich um nackte Schwestern und winzige Schwänze. Die Ladenbesitzerin goutiert Neuigkeiten voller Suizid und Mord, denn lebend kommt hier eh keiner raus. Na ja, fast niemand.

Mittendrin stolpert Pádraic zwischen geliebtem Vieh und Pints herum, für einige Zuschauer dürfte dies die erste Gelegenheit bieten, Colin Farrells wahre Mimiktalente zu entdecken; er verkörpert Pádraic mit nahezu infantilem Aufmerksamkeitsdefizit, Sorgenfaltenstirn und einfältigem Hab-mich-bitte-lieb-Blick. Ein unschuldiger Simpel, ein verdammt netter Typ ohne größere Ansprüche, dessen bester Kumpel Colm – mancher raunt ihm nach, „Denker“ zu sein – entscheidet, die Freundschaft zu kündigen. Heiteren Himmels. Dazu folgt eine drastische Drohung: Sollte Pádraic weiter Kontakt suchen, schneidet Colm sich selbst Finger ab. Bald waren’s bloß noch neun …

Da irrlichtert eine blutrot versinkende Sonne durch stetes sepiafarbenes Halbdunkel, während die unausweichliche Eskalation beharrlich näherrückt. Kaum entäußert brüllend, oft nur flüsterleise, sie reitet auf Pádraics verzweifeltem Unverständnis daher, haust in zu vielen geleerten Guinessgläsern, grinst aus hinterrücks Getuscheltem und fordert schließlich zwangsläufig Opfer, das ewige Stapeln angeknackster Seelen tut ein übriges. Die reichlich absonderliche Dorfälteste kündigt, bei Fragen konkreter Bezifferung scheinbar leicht unentschlossen, mindestens einen Tod an, behält – moderne Banshee halt – recht. Unerwartet allerdings.

Es mag wenig wundern, wie Carter Burwells meisterhaft unaufdringlicher Score in unbeirrter Aushöhlungsabsicht auf karg-steinige Landschaftsbilder tröpfelt, ähnlich audiobrutalem deutschen Liedgut Gehörgänge zerreißender Melancholie bahnt. Daß Martin McDonagh ungeachtet jeder Tragik nachtschwarzen Humor aufblitzen läßt, konnte man angesichts THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI auch vermuten. Die gebotene virtuose Verknüpfung beider Welten erstaunt jedoch trotzdem: Selten, falls überhaupt je, bereitete es derart diebische Freude, eine so todtraurige Geschichte zu erleben.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...