Während der letzte Teil der mit DOGVILLE und MANDERLAY begonnenen Trilogie noch immer aussteht, scheint von Trier mit dieser kleinen absurden Komödie zunächst eine Pause von minimalistischen Experimenten eingelegt zu haben. Er kehrt zurück auf Heimatboden und erzählt eine Geschichte, deren Handlung zunächst amüsant, doch nicht weiter von Belang scheint. Da gaukelt Ravn, Chef einer IT-Firma, den Angestellten jahrelang vor, er wäre einer von ihnen. Er scheut sich, für das Unangenehme der Unternehmensführung einzustehen, das Leben gestaltet sich viel leichter, ist man bei allen beliebt und kann einen in Amerika verweilenden Boß vorschieben. Als ein Investor die Firma kaufen will und alles aufzufliegen droht, engagiert Ravn den arbeitslosen Schauspieler Kristoffer. Dieser soll den Chef mimen und das Geschäft zu einem guten Abschluß bringen. Aber Kristoffer fühlt sich nach anfänglichen Schwierigkeiten allzu gut in die Rolle ein und entzieht sich mehr und mehr der Kontrolle Ravns.
Von Triers eigener Bekundung, daß hier „nicht mehr zu vermuten wäre, als eine Komödie“, muß man nicht unbedingt Glauben schenken. Mag die Szenengestaltung auf das Ausloten des komischen Potentials konzentriert sein, auch mit THE BOSS OF IT ALL verweigert sich der Filmemacher den strikten Genre-Regeln, und weit entfernt ist er auch diesmal von einer Genügsamkeit, die mit nur ein paar Anspielungen auf unser Gesellschaftssystem, auf Moral oder ihr Fehlen, zu Recht käme. Neu ist ein Kunstgriff, den von Trier selbst „Automavision“ nennt. Das Verfahren, Kameraposition und -einstellung sind weitgehend dem Zufall überlassen, macht es unmöglich, die visuelle Ebene, die Bilder zu kontrollieren. Das Spiel der Darsteller gewinnt hier an Freiheit, und das Ensemble, darunter bekannte dänische und isländische Schauspieler, weiß mit dieser umzugehen.
Daß von Trier sich selbst treu und auch The Boss Of It All bleibt, darauf verweist nicht nur die von ihm eigens übernommene Rolle eines Erzählers, der sich kommentierend ins Geschehen mischt. Nicht von ungefähr ist beispielsweise die Auseinandersetzung der nur mäßig talentierten Hauptfigur Kristoffer mit der Theorie des Theaters, führen die wenigen Szenen außerhalb des Firmengebäudes an metaphorische Plätze. Von Triers Film legt sicher die Vermutung nahe, es handele sich um eine unterhaltsame Komödie. Die Ausschließlichkeit seiner Formulierung bleibt – und das ist gut so – anzuzweifeln.
Originaltitel: DIREKTØREN FOR DET HELE
DK/Schweden/F 2006, 99 min
FSK 12
Verleih: alpha medienkontor
Genre: Komödie
Darsteller: Jens Albinus
Regie: Lars von Trier
Kinostart: 15.01.09
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.