So praktisch und schwer entbehrlich Handys heutzutage sind, eigentlich waren wir schon immer skeptisch gegenüber den unsichtbaren Strahlen und Wellen, die sie durch den Äther schicken. Und wir waren es zu Recht, glaubt man Takashi Miikes Beitrag zur Japan-Horror-Welle. Ein bösartiger Fluch hangelt sich via Handy von Opfer zu Opfer, unaufhaltsam und tödlich. Stets beginnt der Spuk mit einem makabren Anruf, bei dem ahnungslose Twens Ohrenzeugen ihres eigenen zukünftigen Todes werden und sogar den exakten Zeitpunkt erfahren, Fluchtversuch zwecklos. Der Fluch dezimiert den Freundeskreis von Studentin Yumi. Gemeinsam mit Hiroshi, der seine Schwester verlor, macht sie sich auf die Suche nach dem Ursprung des Schreckens. Es ist ein Naturgesetz des Horrorfilms, daß auch bei Yumi das Handy klingelt. In 24 Stunden soll sie sterben, der Countdown läuft ...
Er hat es wieder getan! Zu Hause in allen Genres, handwerklich kompromißlos und immer ein bißchen verquer - Takashi Miike ist der Störenfried des neuen japanischen Kinos und seinen Kollegen meist eine Nasenlänge voraus, nicht nur was den Arbeitseifer betrifft. Vier Filme im Jahr sind das Minimum. Mit AUDITION, VISITOR Q oder GRAVEYARD OF HONOUR dürfte er bei einigen Zuschauern Narben hinterlassen haben. Erwartungsgemäß hat auch THE CALL mit Mainstream-Horror nur äußerliche Symptome gemeinsam: junge Menschen in Gefahr, rätselhafte Andeutungen und - ganz dem aktuellen Trend folgend - einen weiblichen Geist mit unvorteilhafter Langhaarfrisur.
Klar geht es ordentlich zur Sache, wenn die Opfer von ihrem unausweichlichen Schicksal eingeholt werden. Doch verweigert sich Miike nachhaltig dem durchschaubaren Spiel mit Bedrohung und Erlösung, sondern kratzt lieber an der Psyche. Er verzichtet auf einen hysterischen Soundtrack und das genreübliche Klanggetöse, vielmehr schürt er eine tiefe Beunruhigung. Inmitten des hektischen Großstadtgewühls scheint jeder seiner Helden auf sich allein gestellt.
Selbst in einem vollbesetzten Fernsehstudio vermag niemand eine junge Frau gegen den Geisterangriff zu schützen. Eine heftige Szene im Übrigen, die sich nebenbei als Seitenhieb in Richtung Reality-Fernsehen entpuppt. THE CALL ist eben ein echter Miike, hervorragend fotografiert, rabiat und hinterhältig.
Originaltitel: CHAKUSHIN ARI
J 2003, 112 min
Verleih: 3L
Genre: Horror, Killer
Darsteller: Kou Shibasaki, Shinichi Tsutsumi
Regie: Takashi Miike
Kinostart: 15.12.05
[ Roman Klink ]