Das Leben hat es mit Jung-ho nicht sonderlich gut gemeint, weswegen der ehemalige Polizist mittlerweile zum Chef eines Callgirl-Unternehmens abgestiegen ist. Dessen nicht genug, hat er auch noch zwei seiner Mädchen verloren. Verschwunden. Spurlos.
Blende zum heutigen Abend. Begleitdame Mi-jin liegt zwar erkältet im Bett, läßt sich aber trotzdem überreden, einen Kunden zu besuchen, schließlich will ihre 7jährige Tochter ja ernährt werden. Als Mi-jin im Haus des Freiers eintrifft, sind dort alle Fenster zugemauert, kurz darauf sämtliche Türen verriegelt, und sie liegt bald gefesselt am Boden, während der nominelle Klient mit der Frage „Warum solltest Du weiterleben?“ seine Werkzeugtasche auspackt und zum Hammer greift.
Bis hierhin läuft alles in den gewohnten Killerkrimi-Bahnen, doch man darf nicht vergessen, daß dieser Vertreter aus Südkorea stammt, einem Land, welches sich kaum an die cineastischen Regeln hält, wie beispielsweise OLDBOY nachdrücklich bewies. Entsprechend sollte der ahnungslose Zuschauer jede Erwartungshaltung über Bord werfen, denn jetzt geht der Thriller erst richtig los: Zufällig kann Jung-ho den Sadisten dingfest machen und der Polizei – die reichlich dumpf agiert, was neben Kritik am System wohl für Humor sorgen soll, eine aus westlicher Sicht fragwürdige Kombination, Asien-Fans unter anderem seit MEMORIES OF MURDER bekannt – ausliefern. Gesetze besagen indes, daß ohne Beweise ein Verdächtiger nach spätestens zwölf Stunden wieder freikommen muß. Jung-ho sucht also verzweifelt nach Indizien, während Mi-jin das Martyrium knapp überlebt hat und unter Qualen versucht, sich zu befreien. Das fiese Katz-und-Maus-Spiel, dessen Weg von Leichen gepflastert sein wird, beginnt ...
Ein Antiheld, der sämtliche Grenzen überschreitet. Brutalität als probates Mittel der Informationsgewinnung. Eine Welt, getaucht in Düsternis und Nihilismus. Selbstjustiz zum Zwecke der Rettung Unschuldiger. Rechtsbrüche am Stück. THE CHASER macht es seinem Publikum wahrhaft extrem schwer, irgendwo moralischen Halt zu finden. Zudem blendet die Kamera bei Bluttaten zwar fast immer weg, bloß wenig ist explizit zu sehen, aber die im Gegenzug ästhetisch, fast cinematographisch wertvoll inszenierte Gewalt verstört weitaus mehr als das gängige Draufhalten der modernen Folterfilmwelle.
Man will irgendwann eigentlich nicht mehr hinschauen, kann allerdings die Augen kaum abwenden. Was ebenso für das Ende gilt: Regelmäßig eingestreute Hoffnungsschimmer lassen einen wenigstens halbwegs positiven Schluß erwarten, doch wenn das Finale dann über Jung-ho hereinbricht, grinst es auch dem bangenden Publikum bitter ins Gesicht. Angesichts unglaublicher Heftigkeit und Ausweglosigkeit wirkt seine allerletzte Szene, die einzige zärtliche Aufnahme in zwei finsteren Stunden, wie der ultimative Magenhieb.
Regiedebütant Na Hong-jin hat es geschafft, dem südkoreanischen Kino Ehre zu erweisen – mit schon jetzt einem der härtesten Filme des Jahres, welcher noch dazu auf längere Zeit verfolgt. Im Grunde ein Meisterwerk.
Originaltitel: CHUGYEOGJA
Südkorea 2008, 123 min
FSK 18
Verleih: MFA
Genre: Thriller, Killer
Darsteller: Kim Yoon-suk, Ha Jung-woo, Seo Young-hee
Regie: Na Hong-jin
Kinostart: 22.01.09
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...