Originaltitel: THE DANISH GIRL

GB 2015, 120 min
FSK 6
Verleih: Universal

Genre: Drama, Biographie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Eddie Redmayne, Alicia Wikander, Matthias Schoenaerts, Ben Whishaw, Sebastian Koch

Regie: Tom Hooper

Kinostart: 07.01.16

Noch keine Bewertung

The Danish Girl

Hinreißende Entpuppung

Ohne Umschweife: Man erliegt ihm sofort! Diesem Zwinkern, diesem Flirten, dieser nervenaufreibenden Melange aus unsicherer Jungenhaftigkeit und raubtiergelenker Virilität, die gerade aus ihrem androgynen Oberlack eine Kraft zieht, die im Kino momentan wohl einzigartig ist. Es war also gut, daß alles seine Zeit brauchte, eine Verfilmung vor einigen Jahren mit Nicole Kidman in der Titelrolle platzte, und Tom Hooper nun den einzig möglichen Schauspieler besetzte: Eddie Redmayne.

Er gibt den von der Kopenhagener Gesellschaft gefeierten Stimmungsmaler Einar Wegener, seine Frau Gerda steht ein wenig im künstlerischen Schatten. Eines Tages bittet sie ihn, für ein ausfallendes Modell einzuspringen: „Probierst Du bitte die Strümpfe an?“ Ein unschuldiger erster Schritt, der bei Einar Neugier und Spielfreude, schließlich Schwitzen und Erregung auslöst. Von diesem Tag an ist alles anders: Einar streichelt über Säume, streift Pelze, legt Leibchen mit Bedacht zusammen, betastet geradezu zärtlich Pailletten. Gerda sieht zuerst nur die spielerische Komponente, es entsteht die Figur Lili, man macht sich in der feinen Gesellschaft einen Spaß. Der erste Kuß als Lili ist aber eben ein ganz anderer, und was Gerda noch etwas linkisch beäugt und mit eher zögerlichem Spaß empfindet, ist für Einar schneller klar: Das Tier ist raus!

Im Erzählstil ist Tom Hoopers Verfilmung eines Lebensabschnitts des Transgenderpioniers Einer Wegener/Lili Elbe konventionell geraten, wozu ein paar Redundanzen gehören, aber diese chronologische Akribie trägt eben auch zur Glaubwürdigkeit einer derartigen Metamorphose bei. Eine Wandlung, die keine Mätzchen und Finten braucht, geht es doch um feindlich beäugte Selbstbestimmung, deren Weg gesäumt ist von häßlichen Menschen, Elektroschocks, Zwangsjacken und Verstümmelungen. Neben der Wucht der sich ja tatsächlich so ähnlich zugetragenen Geschichte besticht THE DANISH GIRL natürlich auch als Bilderfilm: Welch’ Blick auf edle Stoffe, Hüte und Mäntel, die Sicht in den spartanischen Künstlerhaushalt, wobei die fast leeren, hochdeckigen Räume im Verlauf der Geschichte noch leerer wirken, zur Unterstreichung, daß Einar im Verschwinden ist. Wir sind in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, natürlich war die Sehnsucht, immerzu alles klassifizieren zu können, eine große, die Offenheit „Neuem“ gegenüber eher mickrig.

Die faszinierende Entpuppung geschieht ohne Pathos, schlicht beeindruckend ist, wie sich Lili in diesem emotionalen Obergau behauptet, in diesem Aushalten aller Widersprüche, diesem Verkraften seelischer Zerrwänste und dem Negieren jeder aufgesetzten Ratio, weil es für solche in Lilis Bestimmung gar keinen Platz geben kann. Das rührt enorm an, und es ringt unbedingten Respekt ab, da zu solcher Entscheidung, wie sie Lili Elbe traf, jede Menge Mut gehört, selbst wenn es keine andere zu treffen galt. Oder wie sie selbst sagt: „Es gibt nur ein richtiges Leben.“ Wohltuend ordnet sich Alexandre Desplats Musik unter, große Momente müssen nicht größer orchestriert werden, dem ganzen Film ist eine schwer zu beschreibende Behutsamkeit eigen, die richtig ist.

Womit wir wieder bei Eddie Redmayne sind: Wie er diese aufflammende Neugier, die Lust, die Freude und den Wohlgefallen am neuen Ich spielt, erinnert durchaus an das nuancierte Spiel Romain Duris’ in EINE NEUE FREUNDIN, das hier zur Perfektion geführt wird. Redmaynes zarte, porzellan-ätherische Züge, die Wangenknochen, das Erröten, das Zögern, schließlich das Unabdingbare und eben im Spiel das Bewußtsein des Existenziellen – all das ist wahrlich atemberaubend!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.