Originaltitel: THE DEATH OF STALIN
F/GB 2017, 108 min
FSK 12
Verleih: Concorde
Genre: Komödie, Historie
Darsteller: Steve Buscemi, Simon Russell Beal, Jeffrey Tambor, Michael Palin, Olga Kurylenko
Regie: Armado Iannucci
Kinostart: 29.03.18
Es ist eine simple Wahrheit, aber wiederholen muß man sie ja trotzdem gelegentlich mal. Also auf geht’s: Jeder, wirklich jeder Diktator ist ein Popanz, dessen Brutalität und Grausamkeit sich jeweils proportional zu seiner Lächerlichkeit verhalten. Diese Schreckensherrscher und Menschenschinder jedweder politischer Couleur, sie sind, wo und wann auch immer sie wirkten samt ihrer buckelnden Entourage, allesamt ein Konglomerat aus Knallchargen. Das Blut an ihren Händen ändert daran genauso wenig wie jene politisierenden Charakter-Bücklinge, die auch heute noch gern diese Gruselclowns der Geschichte beherzt in Schutz nehmen und als „charismatische Führer“ oder ähnlichen Humbug apostrophieren.
Es war am 2. März 1953, da ereilte einen der gruseligsten Gruselclowns überhaupt ein Schlaganfall. Und so lag dann Väterchen Stalin auf dem Teppich, und um ihn herum tanzte bald seine bis dato vor ihm buckelnde Entourage den Tanz ums goldene Kalb der Macht. Und es ist dann auch genau dieser Tanz, den Regisseur Armando Iannucci jetzt in THE DEATH OF STALIN als bitterböse überkandidelte Monstershow aufführt. Ein Popanz-Ballett um Stalins Nachfolge zeigend, das grotesk und bitter ist, zum Verzweifeln furchtbar und Brüllen komisch.
Geschmacklos natürlich auch. Also gelegentlich und notwendigerweise. Kann ja auch gar nicht anders sein, wenn ein sadistischer Psychopath, ein Folterer, Totschläger und Vergewaltiger wie Geheimdienstchef Beria dicke Krokodilstränen um Stalin weint und dabei zeitgleich schon seine Raubtierzähne fletscht, um nach der Macht zu schnappen. Und um, nicht zu vergessen, potentielle Konkurrenten totzubeißen. Vergleichsweise (!) harmlos und unbedarft nimmt sich dagegen Genosse Chruschtschow aus. Der allerdings flugs – und sei es aus Überlebenswillen – zu intriganter, also skrupellosester, Höchstform aufläuft. Mit welchem Ergebnis, weiß man ja aus der „großen Geschichte.“
Die sich hier als kleines Schmierentheater aus den Hinterzimmern der Sowjetmacht offeriert. In dem drängeln sich nicht nur die konkurrierenden Herren des ZK der KPdSU oder Stalins Tochter und Sohn, sondern auch Brutalität und Lächerlichkeit auf engstem Raum. Und vielleicht wirkt Iannuccis Inszenierung auch deshalb gelegentlich so, als überkomme ihn der Koller der Klamotte, als flüchte er nur allzu bereitwillig in Richtung Nonsens. Eine Verlockung, die man zumal ob des auftretenden Knallchargen-Konglomerats zwar verstehen kann, die sich aber bei einem solchen Sujet schnell ruinös auswirken würde. Denn vergessen wir, nur weil wir am Lachen sind, nicht die Brutalität und das Leid derer, die dieser Brutalität ausgesetzt waren.
Der Film vergißt es dann auch glücklicherweise tatsächlich nicht. So wie auch das Schauspieler-Ensemble nie vergißt, daß man, gerade wenn man Knallchargen spielt, nicht chargieren darf. Karikieren freilich schon – und genau das geschieht dann hier auch glatt auf höchstem Niveau.
Insgesamt wirksam genug, um in Rußland Zensur und Aversion zu provozieren. „Dieser Film verbreitet Extremismus“, erkannte eine Duma-Abgeordnete, und die Vorsitzende irgendeiner militärgeschichtlichen Vereinigung attestierte: „Es ist ein schlechter Film, ein langweiliger Film, und er ist niederträchtig, abstoßend und beleidigend.“ Aussagen, wegen derer man sich zwar nicht gleich eine Kinokarte kaufen muß, aber die schön ahnen lassen, daß sich so eine Investition lohnen könnte.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.