Originaltitel: THE FAREWELL

USA 2019, 100 min
FSK 0
Verleih: DCM

Genre: Drama

Darsteller: Awkwafina, Zhao Shuzhen, X Mayo

Regie: Lulu Wang

Kinostart: 19.12.19

4 Bewertungen

The Farewell

Diese Angst vor dem Abschied

Mit einem lauten „Ha!“ streckt Billis Großmutter, Nai Nai genannt, die Arme beim Frühsport aus, und man möchte es ihr am liebsten gleichtun, um mit dieser befreienden Geste sich von all der Melancholie des Erzählten ein wenig frei zu atmen. Daß der Akt des Sterbens auf der Leinwand in allen erdenklichen Weisen inszeniert wird, ist kein Novum. Verzwickter wird es allerdings, wenn, wie in THE FAREWELL, das Todesurteil gleich zu Beginn ausgesprochen und dann die Reaktion der Beteiligten auf den baldigen Trauerfall beobachtet wird.

So erlebt die junge New Yorkerin Billi einen Schock, als sie vom tödlichen Lungenkrebs ihrer Großmutter erfährt. Die Familie beschließt jedoch, der alten Dame diese Diagnose vorzuenthalten. Unter dem Vorwand einer Hochzeit trifft sich die ganze Familie in China, damit alle insgeheim von der geliebten, ahnungslosen Nai Nai Abschied nehmen können. Mit welchem Recht darüber bestimmen, wie das Gegenüber der eigenen Vergänglichkeit begegnen will?

THE FAREWELL ist neben dieser Frage, neben all den Tränen und teils grotesken Riten (Stichwort: professionelle Klageweiber) allerdings nicht nur ein Film über den Tod. Hier prallen zwei Kulturen in einer Familie aufeinander, die mit diversen Wertevorstellungen zu hadern hat. Was ist wichtiger: Familie oder Karriere? Und wie läßt sich beides miteinander in Einklang bringen, ohne jemanden zu vernachlässigen? Dem Drama gelingt mit diesen Themen ein, zugegeben, nicht ausufernd originelles, aber zeitgemäßes Generationen- und Familienporträt, in dessen Zentrum die wunderbare Schauspielerin und Rapperin Awkwafina als hin- und hergerissene Billi steht, die der Hauptfigur eine enorme Tiefe verleiht. Diese Tiefe hätten einige der etwas abziehbildartigen Nebenfiguren ebenfalls verdient. Positiv überraschend hingegen die Leichtigkeit, mit der diese in anmutigen Hochglanzbildern erzählte filmische Trauerarbeit dann doch oftmals erzählt wird.

Anders wäre dieser bewegende Stoff in der Weihnachtszeit wohl auch kaum zu ertragen. Voller bittersüßem, schlagfertigem Humor, gekrönt von einer irrwitzigen Hochzeit mit wildem Trinkspiel. Und doch schwebt über all den Lachern die Angst vor dem herzzerreißenden Abschied wie ein Damoklesschwert. Lulu Wangs autobiographisch geprägter Film ist bei dem weltweiten Hype um ihn gewiß nicht bahnbrechend, aber zweifelsfrei herzerwärmend, persönlich wie universell.

[ Janick Nolting ]