Wenn man den Begriff „Rastafari“ hört, denkt man als mittelprächtig gebildeter Mitteleuropäer sicher zunächst an Dreadlocks, Reggae-Musik und qualmende Joints. Diese Dokumentation der französischen Filmemacherin Hélène Lee schickt sich an, diesen reinen Stereotypen entgegenzuwirken und erzählt die Geschichte des Begründers jener Bewegung, die auf Jamaica die Ideologien von Marx, Gandhi, Eisenstein und der Bibel vereinte und auch heute noch, Generationen später, für Menschen weltweit, die alternative Lebensstile suchen, als Inspirationsquelle dient.
Leonard „The Gong“ Howell stammt aus einer wohlhabenden jamaikanischen Familie. Als junger Mann schon begehrt er gegen die Kolonialregierung auf und muß sein Heimatland verlassen. Als Matrose bereist er die Welt, kommt nach Panama, Rußland, Amerika. Er beschäftigt sich mit den revolutionären Strömungen der Zeit, seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg, bei der Februarrevolution Rußlands und während der Weltwirtschaftskrise prägen sein Weltbild, lassen ihn ihm den Traum eines anderen Zusammenlebens erwachsen. Als er in den 30ern nach Jamaica zurückkehrt, wird er verhaftet und von der Kolonialregierung wegen Volksverhetzung eingesperrt. Nach seiner Entlassung gründet er die erste Rasta-Kommune „Pinaccle“, die zu ihrer Blütezeit fast 2600 Bewohner zählt. Mit dem dort praktizierten Lebensstil, der von Anarchismus und Pazifismus geprägt ist, begründet Howell eine bis heute nachwirkende Weltanschauung.
Das einzige Manko dieser gut gemachten Dokumentation ist wohl, daß sie etwas unkritisch mit den zum Teil sehr wirren Glaubensansätzen der Rastafari-Religion umgeht und ihren Begründer und dessen Weltanschauung von Beginn an auf einen Sockel zu heben scheint. Aus den konventionellen Mitteln des dokumentarischen Erzählens mit dem standardisierten Wechsel zwischen Archivaufnahmen, Interviews und Stimmungsbildern sticht vor allem der exzellente Soundtrack heraus, auf dem Bands wie Groundation oder die Wailers zu hören sind. Trotz der erwähnten Tendenz zur Glorifizierung seines Subjekts eine interessante Doku über eine große und zu lange übergangene Persönlichkeit.
Originaltitel: LE PREMIER RASTA
F 2010, 85 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen
Genre: Dokumentation
Regie: Hélène Lee
Kinostart: 26.04.12
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...