Originaltitel: THE GREY
USA 2012, 117 min
FSK 16
Verleih: Universum
Genre: Thriller, Drama
Darsteller: Liam Neeson, Dallas Roberts, Frank Grillo
Regie: Joe Carnahan
Kinostart: 12.04.12
Genrekino, das seine Formeln beherrscht und zugleich ausweitet, das, wenn man so will, Kunst bietet, wo man sie gemeinhin nicht erwartet, hat es in Deutschland schwer. Dank Scheuklappen-Wahrnehmung, dem begrenzten Publikumsblick für erzählerische Grenzgänge, floppen immer wieder erstklassige Filme, weil sie eben nicht ordentlich in der Arthouse- oder Mainstream-Kladde abzuheften sind. Zuletzt betraf das eine Arbeit wie DRIVE – und auch wenn THE GREY nicht in dessen Liga spielt, ist er doch speziell genug, Gefahr zu laufen, ignoriert zu werden.
Der Biologe John Ottway arbeitet für eine Ölfirma in der Wildnis Alaskas. Sein Job: die Arbeiter vor wilden Türen schützen. Ein Job, den der Einzelgänger perfekt beherrscht. Schwerer fällt ihm indes, sich vor sich selbst zu schützen. An Ottway frißt der Schmerz über den Tod seiner Frau. Verbitterung, Wut. Vor allem aber eine zunehmende Lebensmüdigkeit.
Diese Exposition ist wichtig. Und der erste große Pluspunkt an THE GREY ist, daß Joe Carnahan sich für diese Zeit nimmt. Was man dem Regisseur, der einst mit NARC viel versprach und zuletzt mit DAS A-TEAM nichts mehr hielt, kaum noch zutraute. Aber das nur nebenher. THE GREY eröffnet also mit dem Porträt eines Lebensüberdrüssigen, eines Misanthropen zumal, der für Tiere weitaus mehr übrig hat als für die Männer der Ölstation. Mit denen steigt er nach Monaten zum Schichtwechsel ins Flugzeug Richtung Zivilisation. Doch die Maschine stürzt ab. Nur Ottway und sieben Weitere überleben. Inmitten einer Eiswüste und im Jagdgebiet eines Wolfrudels.
Menschen, die auf ihre pure Existenz reduziert sind. Ohne Technik, schützende Mauern, Waffen. Rückverwandelt zur Kreatur. An der Oberfläche ist THE GREY ein klassischer Survival-Reißer, in dem recht rabiate Wolfsattacken das Humanpersonal nach und nach dezimieren. Handfestes Genre im Stil eines kargen Naturalismus’. Doch darüber hinaus verdichtet sich diese im übrigen rigoros zu Ende erzählte Geschichte zu einer dezent mystischen Parabel über Mensch und Kreatur, zum Exkurs über die seltsame Beschaffenheit des menschlichen Wesens.
Ottway (hervorragend: Liam Neeson), der Lebensmüde, beginnt ums Überleben zu kämpfen. Zäh und verbissen. Gott verfluchend, sein Schicksal annehmend. Und allein, wie THE GREY dabei den erzählerischen Schlußpunkt setzt, wird man so schnell nicht vergessen.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.