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The Happiest Girl In The World

Wirklichkeit unter dem Mikroskop

Delia, ein 18jähriges Mädchen aus einer kleinen Stadt im rumänischen Hinterland, hat bei einer Werbeaktion eines Fruchtsaftherstellers ein teures Auto gewonnen. Für die Familie, die aus armen Verhältnissen kommt, ist das die große Chance für einen Neubeginn. Denn Delias Eltern wollen den exklusiven Wagen direkt wieder verkaufen und von dem Geld ein Gästehaus bauen, das, so glaubt zumindest der Vater, die Menschen aus der lauten hektischen Großstadt in Scharen aufsuchen werden. Doch Delia sieht nicht ein, warum sie ihren Gewinn der Familie opfern soll. Sie möchte in ihrem Freundeskreis einmal diejenige sein, die bewundert wird, und widersetzt sich mit der Sturheit des Kindes und der Verzweiflung der ewig Zweiten dem Drängen von Vater und Mutter. Und so entspinnt sich während der Dreharbeiten zu einem Werbeclip mit der glücklichen Gewinnerin ein Streit in der Familie über die Pflicht zur Dankbarkeit gegenüber den Eltern.

Es ist eine wahre Geschichte, die der rumänische Regisseur Radu Jude bei einem seiner über 100 Werbedrehs selber erlebt und nun in seinem Debüt verfilmt hat. Er widmet sich dabei voll und ganz der ursprünglichen Begebenheit und läßt alle erzählerischen Zusätze und Ausschweifungen weg. Wie ein Schaulustiger, der zufällig vorbeigekommen ist, bewegt sich der Regisseur am Set seiner eigenen Geschichte. Die Kamera schaut, wie der Autor selbst, tatenlos von außen zu. Beobachtet, was passiert, folgt fast suchend der Handlung, die wie von alleine abzulaufen scheint. Den Schauspielern hat das ganz offensichtlich gut getan. Die 18jährige Andreea Bosneag zum Beispiel, eine Schülerin in ihrer ersten Rolle, ist eine wahre Entdeckung. Den Zuschauer könnte diese Erzählweise auf Dauer langweilen. Muß es aber nicht, wenn er sich auf die in Echtzeit ablaufende Handlung einlassen kann, die ohne die üblichen Verkürzungen und Dramatisierungen auskommt.

Einzig die Darstellung des Werbefilmdrehs ist etwas zu einfach geraten: Ein Regisseur, der sich mit hirnlosen Werbefilmen abgibt, aber eigentlich großes Kino machen will. Die Chef-etage der Auftraggeberfirma, die ahnungslos, aber besserwisserisch um den Monitor herum sitzt. Und das Team aus Fachidioten, das in der Pause schlechte Frauenwitze macht. All das wäre nicht nötig gewesen, ist nicht sonderlich lustig und schwächt den Gesamteindruck eines ansonsten interessanten Films mit Handschrift.

Originaltitel: CEA MAI FERICITA FATA DIN LUME

Rumänien/NL 2009, 100 min
Verleih: Films Boutique

Genre: Drama, Satire

Darsteller: Andreea Bosneag, Violeta Popa, Vasile Muraru

Stab:
Regie: Radu Jude
Drehbuch: Radu Jude

Kinostart: 07.10.10

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...