Originaltitel: THE HOMESMAN
USA 2014, 123 min
FSK 16
Verleih: Universum
Genre: Western, Drama
Darsteller: Tommy Lee Jones, Hilary Swank, Miranda Otto, John Lithgow, Meryl Streep
Regie: Tommy Lee Jones
Kinostart: 18.12.14
Diese Natur mag die Menschen nicht, will sie nicht. Sie verschleißt sie mit kalten Wintern, einer horizontweiten Leere, in der nichts ist, woran sich der Blick oder auch die Hoffnung klammern könnten. Sie verhöhnt die Farmer mit kargen Böden, Mißernten und einem ununterbrochenen Wind, der mit provozierender, zum Wahnsinn treibender Gleichmut weht. Hinweg über diese Prärieweite, die bedrückend wirkt. Hinweg auch über das Leid, das hier noch am besten gedeiht.
Tommy Lee Jones hat es wieder getan. Endlich! Fast zehn Jahre liegt THREE BURIALS, seine zweite grandiose Regiearbeit (nach EINMAL COWBOY, IMMER EIN COWBOY von 1995), zurück. Jetzt ist mit THE HOMESMAN das dritte Regiewerk des charismatischen Hollywood-Außenseiters zu sehen. Und wieder ist es ein Western ganz eigener Art. Und wieder hat Jones dafür maßgeblich am Drehbuch mitgearbeitet, wieder eine der Hauptrollen übernommen, und wieder hat er in aller Souveränität ein Meisterwerk geschaffen. Eins, das tatsächlich den Namen verdient. Und das, weil dieser Film so ist, wie es zu Tommy Lee Jones paßt: Lakonisch, knurrig, manchmal fast spröde. Nichts, was sich ranschmeißt an den Zuschauer. Aber mit was für einem Gespür für Bilder, Atmosphäre und Figuren hier erzählt wird! Und mit was für einer tiefen, menschlichen Empathie! Jones’ filmisches Vokabular ist das eines Lyrikers, der Prosa schreibt, THE HOMESMAN ein cinematographisches Prosagedicht. Aber um dessen Größe zu ermessen, muß man genau hinschauen und hinhören können. Oder es wenigstens wollen.
Und allein die faszinierenden, gemäldehaften Bilder einer Landschaft, die nichts Malerisches hat, mit denen THE HOMESMAN aufwartet, stehen dafür exemplarisch. Ins Nebraska Territorium, Mitte des 19. Jahrhunderts, führt die Geschichte. Zu Mary Bee Cuddy, die hier allein eine Farm bewirtschaftet, gottesfürchtig und charakterfest der Einsamkeit und anderen Unbilden trotzt. Und die sich das Kreuz auferlegt, drei Farmersfrauen aus der Nachbarschaft, die im wahrsten Sinne irre wurden an den Entbehrungen und Schicksalsschlägen, die ihnen das brutal harte Leben in der Einöde bereitete, zurück in die Zivilisation des Ostens zu bringen. In ein Heim der Methodistengemeinde, der sie angehören. Auf das diesen geschundenen Seelen dort Trost wiederfahre.
Wie sehr sie diesen gebrauchen können, offenbart THE HOMESMAN in Szenen, die schonungslos und zugleich mit fatalistischem Blick zeigen, was den Verstand dieser Frauen so zermalmt hat. Und es wird klar, daß Mary Bee, so tapfer und stark sie auch sein mag, mit dieser Fracht niemals die lange Reise gen Osten schaffen wird. Aus gutem Grund haben sich die wenigen dafür in Frage kommenden Männer darum gedrückt. Womit dann Tommy Lee Jones seinen Auftritt hat: In verdreckter Unterwäsche mit Strick um den Hals. Ein abgehalfterter Outlaw, Briggs mit Namen, den Mary Bee vorm Lynch-Tod rettet. Natürlich nur unter der einen Bedingung: daß Briggs sie und ihre menschliche Fracht begleitet.
Es dürfte die bizarrste Reisegruppe der Westerngeschichte sein, die hier das Land quert. Und natürlich schlägt Jones daraus herrliche Funken trockenen Humors. Indes: Heller wird der dunkle Grundton der Geschichte davon nicht. Und die Wendungen, die sie bereithält, sind welche, die einen in den Kinosessel drücken. Die fesseln und ergreifen auch deshalb, weil sie auf Erwartungen pfeifen. THE HOMESMAN erzählt sein Drama in Konsequenz. Auch darin ein Meisterwerk.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.