Es soll ja Dinge geben, die aus Kunststoff bestehen und hauptsächlich Männer begeistern – die geschätzte TV-Fernbedienung, alibitechnisch „für den Sohn“ angeschaffte Autorennbahnen, bei großem Durst sogar PET-Bierflaschen ... Daß aber auch Frisbees zu den genannten Freuden zählen, davon berichtet diese Doku.
Regisseur Jan Bäss, welcher sich selbst als „aktiven Flugscheiben-Historiker“ bezeichnet, fährt dabei einen wahren Informationsmarathon auf, erkundet in drolligen Animationssequenzen die Geschichte des runden Plastiks bis hin zum Neandertaler und befördert wie am Fließband wahrhaft spannende Anekdoten ans Tageslicht. Wer hätte unter anderem gedacht, daß die Erfinder des Sports, ein geschäftstüchtiges Paar, einst „unsichtbare Fäden“ (siehe Titel) an staunende Mitbürger verkauften und Frisbees quasi gratis obendrauf legten? Man lernt eben nie aus!
Allein durch solche Ausflüge in historische Gefilde wächst der Unterhaltungswert enorm, ergänzt durch die gängigen Zutaten vieler Dokus. Also – hier wiederum geschickt untergemischtes – Archivmaterial sowie interviewbereite Kenner der Materie, selbige berichten über Turniere oder verschiedene Spielarten. Aber erneut schaffen es Bäss und seine Gesprächspartner, ungebrochenes Interesse zu wecken, mittels einer grundsätzlich selbstverständlichen Tugend: Menschlichkeit. Man nimmt teil an Erzählungen über Ehen zwischen Fans, schaut begeistert in glücklich leuchtende Augen und hegt keinerlei Zweifel daran, mit welcher Leidenschaft alle Befragten ihrer Berufung nachgehen. Das Kennenlernen einer verschworenen Gemeinschaft fern jeder Abkapselung steht so auf dem jederzeit erfolgreich umgesetzten Plan.
Auch Dünkel scheint da wohltuenderweise ein Fremdwort zu sein, positionieren sich doch legendäre Sportgrößen gleichberechtigt neben völlig unbekannten Personen wie John Kirkland. Der Sammler parkt sein Auto draußen, schließlich beherbergt die heimische Garage ungefähr 30.000 Scheiben. Manche führt er vor – und schon brandet sie wieder auf, diese Zuneigung zu etwas, worin Otto Normalbürger wohl lediglich einen banalen Kunststoffartikel erkennt, einsetzbar zu Zwecken der Hundebespaßung im Park oder des unter dümmlichem Grinsen ausgeführten Zeitmords am Strand. Was sich nach unbedingt empfohlener Sichtung der vorliegenden, anrührenden Liebeserklärung allerdings spontan ändern sollte.
Originaltitel: THE INVISIBLE STRING
D/I/J/USA 2012, 94 min
FSK 0
Verleih: Boomtown Media
Genre: Dokumentation, Sport
Regie: Jan Bäss
Kinostart: 13.12.12
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...