Danke, danke, danke! Endlich findet sich mit Peripher ein Filmverleih, welcher John Cassavetes dem unverdienten Vergessen entreißen und sämtliche Werke des legendären Regisseurs neuerlich da zeigen möchte, wo sie einfach hingehören: im Kino. Ein Angebot, von dem man Gebrauch machen sollte.
Zum Beispiel, um Cosmo kennenzulernen, den selbstzufriedenen Nachtclub-Besitzer. Sein Laden läuft. Zwar sind die Animiermädchen weder sonderlich intelligent noch wirklich begabt, aber das macht ja weiter nix, solange nur genug Alkohol die Kehle der Gäste befeuchtet. Im Überschwang der Gefühle verzockt Cosmo eine unbezahlbar große Summe, darf jedoch alternativ die Schuld begleichen, indem er einen angeblich noch höher verschuldeten chinesischen Buchmacher umbringt. Der Mord artet zum Blutbad aus, Cosmo wird selbst verwundet und hat nunmehr ein komplettes Syndikat an den Hacken kleben. Nichtsdestotrotz heißt es für ihn unverändert: Die Show muß weitergehen – egal, wie ...
Cassavetes taucht tief ein in die glamouröse Falschheit des Spieler-Milieus, schmeckt den Qualm piefiger Hinterzimmer, kontrastiert üppige Dekolletés talentfrei herumspringender Showgirls durch hohle Mafia-Riten mit Todeskuß hier und drohend freundschaftlichem Knuff dort. Auch ein Verdienst der beeindruckenden Kamera: von großer Unruhe geprägt, manchmal hautnah an den Akteuren, dann wieder auf Distanz bedacht, stets gnadenlos beobachtend und selbst winzige Gefühlsregungen präzise einfangend. Eines kann sie freilich nicht zeigen, da es fast gänzlich fehlt – das Licht des Tages und der Hoffnung nämlich.
Etwas schade bloß, daß man den Namen Gena Rowlands', Cassavetes' langjähriger Ehefrau, Muse und Star zeitloser Meisterstücke wie OPENING NIGHT oder GLORIA, auf der Besetzungsliste vergeblich sucht. Allerdings macht Ben Gazzara dieses kleine Manko mehr als wett. Mit unglaublich viriler Präsenz dominiert er jede Sekunde und schlittert dabei intensiv immer an der persönlichen Tragödie entlang, was allein schon die Wiederaufführung rechtfertigt. Play It Again, Ben!
Originaltitel: THE KILLING OF A CHINESE BOOKIE
USA 1975, 108 min
Verleih: Peripher
Genre: Drama, Killer
Darsteller: Ben Gazzara, Timothy Agoglia Carey, Seymour Cassel, Robert Phillips, Morgan Woodward
Stab:
Regie: John Cassavetes
Drehbuch: John Cassavetes
Kinostart: 03.06.04
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...