Genervtes Seufzen voraus: Ja, das ist wieder mal ein Kinderfilm, in dem es zumindest am Rand um Fußball geht. Und jetzt gleich hinterher wegen anhängender Vorurteile doll geschämt, denn so wie hier umgesetzt hat man das alte Thema vorher nie gesehen!
Lernen wir also Jo kennen, 13 Jahre alt, sportlich gesehen absolut katastrophal unterwegs, wie viele intelligente Halbwüchsige in der Schule unterdrückter Außenseiter, und zu allem Überfluß ist er auch noch heftigst pessimistisch. Ergo zeigen die ersten Minuten dieses – das sei verraten – tollen Films gleich, wie Jo sich sein Ableben durch vielerlei widrige Umstände vorstellt. Phantasie hat der Knabe, keine Frage. Seine übervorsichtige Mutter, wegen des makaberen Unfalltodes ihres Mannes traumatisiert, heizt die Furcht weiter an. Richtig kompliziert wird die Lage jedoch erst, als mit Mari eine bezaubernde neue Mitschülerin auftaucht. Sie will beeindruckt sein, und logischerweise verstrickt sich der Junge nur zu bald in weite Kreise ziehenden Lügen, denen zur Freude finsterhumoriger Zuschauer auch schon mal ein unschuldiges Haustier zum Opfer fällt.
Was die Handlung trotzdem zum Anlaß nimmt, zwar quasi leitmotivisch unverändert Jos negative Tagträume einzuflechten (für den Klassenrüpel nicht erledigte Hausaufgaben führen da vollkommen zwangsläufig zur alkoholkranken Mama und Leben im vereisten Norden), aber gleichzeitig zu erden. Und exakt hier entfaltet sich das große Potential der grundsätzlich simplen Geschichte: Sie nimmt Jo, folgerichtig also auch ihr juveniles Publikum, einfach als vollwertige Personen ernst. Alltägliche Nöte, die Ängste Heranwachsender, erste Zuneigung – und das Ganze zudem nicht zwanghaft auf blütenrein getrimmt, was unter anderem für eine lebensnahe, teils deutliche Sprache gilt. Der Kinonachwuchs fühlt sich nicht gönnerhaft von oben herab behandelt, sondern verstanden, wird von milder Action sowie dezenten Spannungseinsprengseln verwöhnt, während Eltern neben den schreikomischen Gedankenspielen kompetent gezeichnete Charaktere inklusive ungewöhnlichen Facettenreichtums oder einen klug zusammengestellten Soundtrack zu würdigen wissen.
Bis zum niedlichen und somit schon allein absolut sehenswerten Nachspann entspinnt sich insgesamt ein großartiges Familienzauberwerk, welches Eltern ihren Sprößlingen unbedingt gönnen sollten – und sich selbst gleich dazu.
Originaltitel: KEEPER’N TIL LIVERPOOL
Norwegen 2010, 85 min
FSK 6
Verleih: drei-freunde
Genre: Kinderfilm, Erwachsenwerden, Sport
Darsteller: Ask van der Hagen, Susanne Boucher, Mathis Asker
Regie: Arild Andresen
Kinostart: 15.03.12
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...