Als Rucksackreisender in einem fremden Land unterwegs zu sein, dessen Sprache man gar nicht und dessen Kultur man nur marginal versteht, fordert entweder ein gehöriges Maß an Mut oder an Naivität, auf jeden Fall aber die Bereitschaft, immerzu sein blödestes Lächeln zu zeigen und mantra-artig die zwei oder drei einem geläufigen Worte zu wiederholen. Nica und Alex sind auf ihrer Georgienreise nur allzu bereit, all das zu tun, sie stellen sogar ohne zu zögern ihr Privatleben unter die wachsamen Augen eines einheimischen Bergführers. Schnell wird der Marsch durch die freie Natur intimer als gewünscht. Darf man noch Sex haben, wenn im Zelt nebenan der Bergführer schläft?
Doch noch trinkt das Paar artig mit ihm zusammen am Lagerfeuer, man tauscht die üblichen Belanglosigkeiten aus – aus dem Mund eines Fremden wird alles interessant. Bis Alex urplötzlich auf die Probe gestellt wird. Ein kurzer Moment, eine falsche Entscheidung. Schon ist es dahin mit dem gegenseitigen Vertrauen der Liebenden. Doch der Marsch geht weiter und macht einen Bogen in Richtung Thriller. Will heißen: Das Verhältnis in der Gruppe verschiebt sich. Alex kämpft mit seiner verletzten Männlichkeit, Nica damit, ihn zu erreichen. Ein Schritt vor, ein Schritt zurück.
Zu den besten Ideen des Filmes gehört es sicherlich, den Bergführer authentisch zu besetzen. Diesem Mann glaubt man wirklich alles. Und Authentizität soll von der ersten Minute an erzeugt werden. Wer noch nie mit Rucksack unterwegs war, kriegt einen guten Eindruck – auch von den langweiligen Dingen. Es wurde mit einfachen Mitteln unter einigermaßen realen Umständen gedreht: auf einer Wanderung in kleinem Team mit Raum für Improvisation. Und jede Schlammpfütze ist echt. Daß sich ein Superstar wie Gael García Bernal darauf einläßt, ehrt ihn – aber es tröstet nicht über das Ergebnis hinweg.
Denn trotz Handkamera auf den Fersen, vordergründiger Verspieltheit und Spontaneität – spätestens im zweiten Teil wird das Konzept zunehmend durchschaubar. Eine größere Distanz zu den Figuren läßt sich kaum erzeugen. Und irgendwann ist man es einfach leid, in die verschlossenen Gesichter zu starren. Hinzu kommt, daß sich die Kamera so sehr in die Hauptdarstellerin Hani Furstenberg verliebt, daß sie über weite Strecken alles andere vergißt. Leider sind damit auch die wirklich interessanten Fragestellungen des Filmes verschenkt, zum Beispiel: „Wann ist ein Mann ein Mann?“
Originaltitel: THE LONELIEST PLANET
USA/D 2011, 113 min
FSK 12
Verleih: Camino
Genre: Drama
Darsteller: Hani Furstenberg, Gael García Bernal
Regie: Julia Loktev
Kinostart: 03.01.13
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...