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The Master

Der Satyr, sein Gott und das Kino, das beide verdienen

Er ist geil und versoffen. Er pöbelt, vögelt, prügelt. Schief ist sein Gang, gleichzeitig hastig und viril. Er lacht wie der Teufel und blickt mit den Augen eines Verlorenen auf die Welt. Freddie ist ein soziopathischer Außenseiter. Könnte sein, daß der eben zu Ende gegangene Zweite Weltkrieg, in dem Freddie als Soldat diente, dessen Seele so durch den Wolf gedreht hat. Und wer psychologische Interpretationen mag, dem widerspricht dieser Film nicht. THE MASTER heißt der und ist das neue Werk von Ausnahmeregisseur Paul Thomas Anderson. Der nun erneut einen Ausnahmefilm gedreht hat. Ein Drama. Wuchtig, sperrig, berauschend. Ein rätselhafter Film der großen Bilder, barocken Gesten, subtilen Nuancen. Ein Film, der von zwei Männern erzählt. Von einer fatalen Wesensverwandtschaft, die auf Gegensätzen gründet.

Denn ein Satyr ist dieser Freddie – und das wohl schon von Geburt. Ein Satyr, der auf einen (vermeintlichen) Gott trifft. Ein Dreckiger, der glaubt, den Erhabenen gefunden zu haben. Ein Besessener, der besessen seinem Erlöser folgt. Lancaster Dott heißt der und ist, so sagt er, Arzt, Philosoph und Hypnotiseur. Und zu Höherem berufen. Ist Dott doch vor allem der mächtige Führer einer Glaubensgemeinschaft. Ein Sektenguru, ein Charismatiker, der seinen Jüngern Heil und Seelenfrieden verspricht.

Will man wirklich die Kühnheit, Tiefe und auch den bösen Witz ermessen, der in THE MASTER liegt, darf man das nicht außer acht lassen: diese mythologische Grundierung, diese Konstellation eines anti-psychologischen Dualismus’. Man hat dem Film schon vorgeworfen, daß sich etwa die Figur des Freddie die gesamte Handlung über nicht entwickele (wie letztlich auch die Figur Lancaster Dotts sich nicht wirklich entwickelt). Aber genau darin liegt der Stachel, das Drama: Beide Männer sind, was sie sind. Plus-Minus-Pole, die sich anziehen, und zwischen denen zunehmend die gewittrigen Entladungen grollen.

Und etwas von einem mächtigen aufziehenden Gewitter hat auch dieser Film. Wie elektrisch aufgeladen. Die Spannung vor dem Sturm als Grandiosität in 70-Milimeter-Bildern. Die zeigen Tiefenschärfe bis zum Horizont. Schnittkompositionen, die wie Musik sind. Kamerafahrten, die die Szenen wie ein Adagio fließen lassen. Und natürlich Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman. Übergroße Götzen, getragen von einem bis in die kleinsten Rollen wunderbaren Ensemble. Großartig. Hybris als Filmkunst.

Originaltitel: THE MASTER

USA 2012, 137 min
FSK 12
Verleih: Senator

Genre: Drama

Darsteller: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams

Regie: Paul Thomas Anderson

Kinostart: 21.02.13

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.