Das Glück liegt im Nacken. Diese Lebensweisheit ist für Edward der Quell physischer und mentaler Zufriedenheit. Er arbeitet als Chiropraktiker und hat sich auf die Fahnen geschrieben, sämtliche verspannte oder fehlfunktionierende Nacken perfekt auszurichten. Auch in seiner knapp bemessenen Freizeit arbeitet Ed mit seinen Händen - dann allerdings weniger feinfühlig: er ist The Naked Man - seines Zeichens professioneller Wrestler!
Eines Tages kehrt er zu seinen Eltern zurück, um sich mit dem Vater zu versöhnen. Die beiden hatten in endlosen Streitgesprächen leicht verschiedene Ansichten über die berufliche Orientierung des sensiblen Jungen. Apotheker! Wrestler! Apotheker! Wrestler! Apo... Das Wiedersehen steht unter dem Stern der Harmonie, Ed hat seine schwangere Frau Kim zur Seite. Dann passiert das Unfaßbare: ein fetter Elvis-Klon betritt mit einem an Krücken gefesselten Gnom die Apotheke des Vaters. Als dieser ihm schmerzlindernde Pillen verweigert, um seinem Sohn einen Patienten zu verschaffen, tickt der Prothesenmann aus, erschießt Eds Eltern und Kim. Edward kommt zum Ort des Geschehens und kann nur noch den Abtransport der Leichensäcke sehen. Der feinfühlige Mann sieht rot, geht wieder in den Ring und macht kaputt, was ihn kaputt macht. Keiner ist vor ihm sicher: in seiner Wut vermöbelt er die gesamte Wrestlerriege, Schiedsrichter und Polizei inklusive. Doch dann geschieht ein Wunder: ist Kim wirklich tot...?
Obwohl Ethan Coen an der Entwicklung dieser Indie-Perle beteiligt war, konnte Regisseur Anderson eine sehr eigene Handschrift entwickeln. Trotz überbordender Skurrilität in den Personen und im Plot verkommt sein urkomischer, ergreifender und konsequenter Film nie zum Schießbudenfigurenkabinett. Felsenfest auf schwarzhumorigem Boden verankert, erzählt er geradlinig von der Wehr eines Durchschnittsbürgers, dem der Halt im Leben genommen wurde. Andersons Film zeichnet sich durch das aus, was vielen Independentproduktionen mittlerweile abgeht: Ehrlichkeit und Stil!
Originaltitel: THE NAKED MAN
USA 1998, 86 min
Verleih: Jugendfilm
Genre: Drama
Darsteller: Michael Rapaport, Rachael Leigh Cook
Regie: J. Todd Anderson
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.