"Ich bin Eisenbahner und das bleib ich auch!" Die Gleisarbeiter der British Rail haben keinen Sinn für die Mätzchen ihrer Vorgesetzten. Modernisierung? Privatisierung? Was soll der Quatsch? Die Männer brauchen jemanden, der ihnen sagt, wo es langgeht, wann sie Pause machen können. Und sie brauchen ihre Pommes zum Mittag. Den Ernst der Lage begreifen sie, als nach einer belächelten Videoansprache ihres neuen Chefs den ersten Kollegen gekündigt wird, andere die Abfindung kassieren und freiwillig gehen. Noch größer wird der Unmut, als man frühere Kollegen am Gleis wiedertrifft, nun im Auftrag der Konkurrenz. Das erste Bahndepot wird geschlossen - aus Spott und Ironie wird Galgenhumor. Wie soll es weitergehen? Einen gemeinsamen Weg scheint es nicht zu geben. Freundschaften brechen weg, so mancher hat Schwierigkeiten, neue Arbeit zu finden, und schließlich kommt es durch die planlosen Umstrukturierungen zum Unglück ...
Wenn Ken Loach nicht seit Jahren zuverlässig kompromißlose Beiträge zum "New British Cinema" leisten würde, er wäre mit Sicherheit bei der Gewerkschaft oder engagierter Aktivist bei Amnesty International. Denn dort wo manch anderer Filmemacher den Sensor für die nächste Preisverleihung oder den Riecher für die Kinokasse hat, lodert bei Loach soziales Bewußtsein. MY NAME IS JOE hatte ihn 1998 einem breiteren Publikum bekannt gemacht, doch statt zu verschnaufen, filmt er unermüdlich weiter. Hier verzichtet er bewußt auf bekannte Gesichter und eine Bilderbuchstory. Statt dessen verhilft er jeder einzelnen Figur zu Charakter und Wort, formt mit starken und konsequent lebhaften Szenen das Bild einer Arbeitsgesellschaft, die das denkende Individuum der scheinbaren Effizienz unterordnet. Die Probleme sind keinesfalls fiktiv, stammt doch das Drehbuch vom verstorbenen Rob Dawber, der selbst zwanzig Jahre im Dienst der British Rail stand.
Die Leidenschaft für "Geschichten des Volkes" bildet den roten Faden im Schaffen des Regisseurs Loach, der auch stets seine Filmcrew dafür zu begeistern weiß. Kein Wunder also, daß Barry Ackroyd und Mike Eley den authentischen Schauplätzen poetische Bilder abringen und Mike Fenton eine entspannte Musik zum Film beisteuert - die 6. Zusammenarbeit für Regisseur und Komponist. Solche Geschichten braucht das Kino dringend: ehrlich, präzise und uneitel.
Originaltitel: THE NAVIGATORS
GB 2001, 93 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Polit, Tragikomödie
Darsteller: Dean Andrews, Tom Craig, Joe Duttine
Regie: Ken Loach
Kinostart: 14.11.02
[ Roman Klink ]