Originaltitel: THE OLD OAK
GB 2023, 114 min
FSK 6
Verleih: Wild Bunch
Genre: Drama
Darsteller: Dave Turner, Ebla Mari, Claire Rodgerson, Trevor Fox, Chris McGlade
Regie: Ken Loach
Kinostart: 23.11.23
Es kann nicht stimmen, jedenfalls nicht in des Wortes ureigener Bedeutung. Ken Loach als Nimmermüden zu bezeichnen, verbietet sich bei einem Regisseur, der auf die 90 zugeht. Rastlos und, ja, nimmermüde ist der Brite nur in seinem künstlerischen wie menschlichen Ansinnen, eben die Kunst ganz den Menschen zu widmen und ausschließlich von ihnen handeln zu lassen und sehr gern von jenen, die eine wirklich große Blende brauchen, um belichtet zu werden. Es ist der Loach-Faden im internationalen Film, und er ist noch immer rot. Wunderbar rot.
Nach Ricky und Daniel jetzt Tommy Joe. Schon SORRY WE MISSED YOU und ICH, DANIEL BLAKE ließen Loach und sein Drehbuchautor der mittlerweile 16 (Kino-)Herzen, Paul Laverty, im landschaftlich so reizvollen, gesellschaftspolitisch so geschundenen Nordosten Englands spielen. Dort, wo der Bergbau nicht nur sichtbare Gräben zog und hinterließ. Kein Wunder, daß THE OLD OAK als Pub der letzte öffentliche Ort ist, wo beim Bier die Reste sozialer Gemeinsamkeit gelebt werden. Es gibt nur einen Unterschied zu früher: Die Kraft der Arbeiterklasse ist Resignation gewichen, und wenn die Kraft auch aus dem Wirt zu weichen beginnt, weil er mühsam ums Morgen kämpft, dann ist der Schuldige fürs eigene Unbehagen schnell gefunden. Tommy Joe, TJ genannt, wird an Grenzen kommen, auch jene der Energie.
THE OLD OAK, die alte Eiche, wankt. Und zu sagen, der nächste Bus sei schuld, der 2016 in Durham hält und wieder Flüchtlinge bringt, ist im Griff zu kurz. TJ wird unter Loach zum milden Bären mit Vergangenheit, der hier hilft und dort beschwichtigt, heute seine Ohren auf Durchgang schaltet und morgen Zeichen setzt. Sein Pub, ein Universum. TJ ist kein Mann, der allzu eifrigen „Systemkritikern“ mit ihren allzu flachen Sprüchen am Stammtisch sägen mag. Doch dabei wird es nicht bleiben können, dazu ist TJs tolerante Nähe zur Syrerin Yara und deren Familie zu verdächtig, sieht er viel zu klar auch die Nöte der Einheimischen, will er mit Gleichgesinnten einfach etwas tun für das, was neue Gemeinschaft bedeuten könnte, gipfelnd im alten Bergarbeitermotto „Eat Together – Stick Together.“ Nur, die Kräfte eben, die schwinden.
Wie heißt es im Film? „Es ist Solidarität, kein Almosen!“ So ist auch THE OLD OAK, trotz diesmal fast überbordender wunschdenkender Hoffnung, noch immer kein Pamphlet. Es ist Loach, der Nimmermüde.
[ Andreas Körner ]