Originaltitel: THE PLACE BEYOND THE PINES

USA 2013, 140 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama, Familiensaga

Darsteller: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Ray Liotta

Regie: Derek Cianfrance

Kinostart: 13.06.13

21 Bewertungen

The Place Beyond The Pines

Väter und Söhne – ein amerikanisches Triptychon

Es gibt sie noch. Die Great American Novels im Kinoformat. Die amerikanischen Filme, die mit romanhaftem Atem amerikanische Geschichten über amerikanische Wirklichkeit zeigen und zugleich über diese Begrenzung, die „amerikanisch“ zieht, hinausweisen. Es ist das Tragische im klassischen Sinne, was diese Filme auszeichnet. Und ein Realismus, aus dem die dramatischen Zuspitzungen ganz plausibel schicksalhaft erwachsen.

Man muß vorsichtig sein, will man etwas über die Handlung in Derek Cianfrances THE PLACE BEYOND THE PINES sagen. Man könnte zu schnell zu viel verraten. Nicht, daß diese Geschichte ihre Faszination allein aus dem beziehen würde, was man gemeinhin „Überraschungsmoment“ nennt. Nur ist hier dieser „Überraschungsmoment“ eine Entäußerung erzählerischer – das heißt für diesen Film: tragischer – Konsequenz, wie sie nicht allzu häufig vorkommt im Hollywoodkino. Deshalb jetzt ganz vorsichtig: Da ist erst einmal der Ort, die amerikanische Kleinstadt. Schenectady heißt die, was aus dem Irokesischen kommt und „Ort jenseits der Pinien“ bedeutet. Da ist Luke, der Motorradstuntman, der seinen Lebensunterhalt auf Jahrmärkten verdient. Ein Einsamer, ein Rastloser, ein Rumtreiber. Und einer, der sein Leben ändern will, als er erfährt, daß er Vater eines kleinen Sohnes ist. Und da ist Avery, der ehrgeizige Streifenpolizist aus gutem Haus. Auch er Vater eines kleinen Sohnes.

Die Stadt, zwei Väter, zwei Söhne. Ein Triptychon. Basis für, wie Cianfrance sagt, diese „klassische Mär von den Sünden der Väter, die die Söhne belasten.“ Denn Luke wird Banken ausrauben. Im Namen des Sohnes, dem er so ein besseres Leben ermöglichen will. Und Luke wird auf Avery treffen. Und diese Begegnung wird noch 15 Jahre später ihre Schatten auf die dann jugendlichen Söhne dieser Männer werfen.

In 140 Minuten breitet Cianfrance seine „Mär“ in klaren Cinemascope-Bildern aus. Das Format ist das einzig angemessene. Wie auch der Soundtrack, auf dem sich neben tollen Stücken Mike Pattons leitmotivisch Arvo Pärts „Fratres“ einfügt. Eine Komposition reiner Innerlichkeit und Trauer, die inzwischen ja gern mal bei einschlägigen Filmen verbraten wird. So passend wie hier allerdings noch nie.

Väter und Söhne, Schuld und Sühne, Gewalt und Zärtlichkeit. Große Szenen und kleine, genaue Momente, angefüllt mit kräftigen Charakterbildern. THE PLACE BEYOND THE PINES ist phantastisches Schauspielkino, das bis in die Nebenrollen zeigt, was „physische Präsenz“ tatsächlich bedeuten kann. Stellvertretend sei da Ryan Gosling als Luke genannt. Die Szene etwa, in der er zum ersten Mal seinem Sohn gegenübersteht: reine Gänsehaut. Nur Gesten, nur Blicke. Der Sünder voller Liebe, der es nicht wagt, dieses Baby in den Arm zu nehmen, weil es reine Unschuld ist.

Klar, eine Überhöhung. Aber keine die poltert, sondern eine, die still wächst. Auf das Tragische, das folgen wird, auf das Schicksalhafte verweist. Und doch zugleich, im unglaublicherweise selben Moment von der Möglichkeit der Erlösung spricht. So wie das eben geht. In der großen Literatur und im echten Kino.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.