Eigentlich zergeht dieser Name ja auf der Zunge: Katrina. Der so benannte Hurrikan, 2005 als eine der verheerendsten Naturkatastrophen in die Geschichte eingegangen, hatte jedoch nichts Schönes oder Poetisches, vor allem New Orleans leidet immer noch unter seinen Folgen. Zwar glitzert die Touristenmeile wie eh und je, doch abseits stehen Hunderttausende Häuser leer, Ödland reiht sich an Ruinen. Und es herrscht menschenleere Stille – die allgegenwärtige Musik verstummte, das „Herz New Orleans“ hat aufgehört zu schlagen.
THE SOUND AFTER THE STORM folgt nun drei Mutigen, deren Lebensziel die Wiederbelebung ist: Sängerin Lillian Boutté setzt auf weltweiten Benefiz-Konzerten ihre Gänsehautstimme ein, um während mitreißender Auftritte Spenden zu sammeln sowie bei Pressekonferenzen unbequeme Fragen zu stellen. Fotograf Armand Richardson hat seine aussichtslosen Instandsetzungsversuche vor Ort aufgegeben und rüttelt mit Bildern wach. Dr. Michael White schließlich möchte in Seminaren das Andenken an berühmte Musiker erhalten. Was Boutté, ihre Weggefährten und letztlich die Doku damit erreichen, geht weit über das distanzierte Abbilden in Medien aller Art hinaus, weil hier Bilder der Verwüstung nicht einfach abgehakt werden, um ad hoc zum nächsten Thema zu springen. New Orleans als Ort des Geschehens steht im Mittelpunkt, mit allen Facetten.
Da kann man zum Beispiel erfahren, daß selbst heute noch Friedhöfe nach „Schwarz“ und „Weiß“ getrennt sind. Ein Lied der Sklaven erklingt aus Bouttés Mund – Gänsehaut! Ihr Bruder berichtet von seiner Hilflosigkeit. Solche Sequenzen bleiben haften, zumal niemals larmoyantes Gejammer nervt, man die notwendige Stärke der Überlebenden spürt. Da fährt es ungleich heftiger unter die Haut, wenn Boutté beim Anblick ihres zerstörten Elternhauses unter Tränen sich selbst, dem Schicksal oder wem auch sonst nur eine einzige Frage stellt: „Why?“
In einer Nachrichtenwelt, die vom handgemachten Pseudo-Skandal, wie einem Wurm im Gouverneurs-Salat, bis hin zum Glaubenskrieg alles ausschlachtet und dann sofort wieder auf „Niiiedlich!“-Schiene umschwenkt, wenn ein schielendes Opossum des Weges wackelt, kämpft dieses Werk primär um Aufmerksamkeit und gegen das Vergessen. Welchen immensen, vorrangig emotionalen Erfolg es dabei verbucht, weiß ein hoffentlich breites Publikum zu würdigen.
D/CH 2009, 82 min
Verleih: HillFilm
Genre: Dokumentation
Regie: Sven O. Hill, Patrik Soergel, Ryan Fenson-Hood
Kinostart: 17.02.11
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...