Originaltitel: THE SQUARE
S/D/F/DK 2017, 142 min
FSK 12
Verleih: Alamode
Genre: Satire, Komödie
Darsteller: Claes Bang, Elisabeth Moss, Terry Notary, Dominic West
Regie: Ruben Östlund
Kinostart: 19.10.17
Ein weißes Quadrat. Vier mal vier Meter. Auf einem Platz der Stadt. Das ist Kunst. Modernste. Etwas, worüber man Dissertationsbände und Feuilletonseiten füllen kann. Weil dieses Quadrat geradezu eine Provokation zur Exegese hin ist – auch ob jenes Tiefsinns, den so eine Fläche haben kann. Oder der auf sie projiziert wird. Wie auch immer. Menschen jedenfalls dürfen, können, sollen nämlich „eintreten“ („Gehen Sie als Mensch hinein!“) in diese Quadrat-Meterchen, die eine Art altruistischen Sinn-Raum markieren, in dem sich dann diese Menschen eben ihres Menschseins, und das heißt vor allem, so ist’s gewünscht vom Künstler, ihres Mit-Menschseins, bewußt werden dürfen, können, sollen.
Oder so ähnlich. THE SQUARE ist der neue Film von Ruben Östlund (HÖHERE GEWALT), und der hebt an als Satire auf das, was gemeinhin „Kunstbetrieb“ genannt wird und hier hinreißend sarkastisch als Blase eines Narzißmus’ schon grotesk ausufernder Phrasenhaftigkeit porträtiert wird. Was der Wahrheit recht nahekommen dürfte, aber das nur nebenher. Christian jedenfalls heißt der smarte, erfolgreiche Kurator im Stockholmer Museum für Zeitgenössische Kunst, der gerade in den Vorbereitungen zu jener Freiflächen-Installation namens „The Square“ steckt, als ihm von durchaus beeindruckend gewieften Trickdieben Brieftasche und Mobiltelefon geklaut werden. Klar, das nervt, wäre für einen wie Christian aber zu verkraften. Eher aus Launenhaftigkeit denn Notwendigkeit begibt der sich dennoch auf die Jagd nach den Dieben. Eine dumme Idee mit weitreichenden Konsequenzen, kollidiert Christian doch bald gehörig mit der Welt jenseits der schönen Künste.
Was der dicke rote Erzählfaden ist, der sich durch THE SQUARE zieht, und an dem Östlund nachgerade wie an einer Wäscheleine die durch die Mangel seiner Weltskepsis gedrehten gesellschaftskritischen Themenfetzen aufhängt. Was – um gleich vom Schwachpunkt des Films zu sprechen – mitunter so forciert wohlmeinend und breitgefächert ist, daß es mehr einer akkuraten Illustration des Kritischen ähnelt, als tatsächlich kritisch zu sein. Also mehr belehrt statt erzählt.
Das soziale Abseits in Form von allerlei in Szene gesetzten Bettlern, die Weltfremdheit der Kunstschickeria, die sexuellen Neurosen der allzu Aufgeklärten, die dem Wohlstandsmann immanente Feigheit – wie Söckchen des Leitmotivischen baumelt das an besagter Leine. Was Östlunds Film zur Konfektion verdammen würde, wäre da nicht zugleich und immer wieder der heimtückisch wie aus heiterem Himmel hervorbrechende Wind eines wilden Grenzenausreizens und auch -überschreitens. Die hemmungslos bis zum Fremdschämen aus dem Ruder laufende Performance eines Künstlers, der im konsequentesten Sinne den Affen macht bei einem Foundraising-Dinner, mag da exemplarisch sein. Eine sich zudem geradezu hämisch lang ziehende Szene, an der sich die Geister im Publikum scheiden dürften. Die also genau das provoziert, was ein Film wie dieser auch provozieren sollte.
Und auch, daß Östlund seinen Kurator arg durch die Mangel der Demontage dreht, das aber eben ohne ihn zu verraten und zu diskreditieren, also ohne diesem Christian charakterliche Nuancen und Ambivalenzen vorzuenthalten, ist eine Stärke dieses Films. Freilich eine, die man vom skandinavischen Kino erwarten darf.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.