Originaltitel: LA REGIÓN SALVAJE
Mexiko/DK/F/D/Norwegen/CH 2017, 98 min
FSK 16
Verleih: Forgotten Film
Genre: Erotik, Horror
Darsteller: Ruth Ramos, Jesús Meza, Simone Bucio
Regie: Amat Escalante
Kinostart: 01.02.18
Sieht schon eklig aus, dieser Glibberorganismus, der da aus den dunklen Winkeln des Zimmers oder auch von dessen Deckenbalken herab mit kräftig geschmeidigen Tentakeln seine, nun ja, Arbeit verrichtet. Eine Arbeit orgiastischer, aber auch verheerender Auswirkungen.
Wie man schon ziemlich zu Beginn von Amat Escalantes maximal nüchtern inszeniertem Fiebertraum THE UNTAMED erahnen kann. In aller Ruhe blickt da die Kamera auf die nackte Véronica, die noch ganz gefangen ist in einem Zustand zwischen derangiert und verzückt, in einer Agonie der abflauenden Ekstase. Eine Ekstase explizit sexueller Natur, die indes in ihrer Intensität offenbar alles übertroffen hat, was menschliche (besser: irdische) Sexualität so hergibt. Die schleimigen Tentakel jedenfalls, die sich hier aus dem Schoß Véronicas zurückziehen, gehören zu einem „Etwas“ aus ganz anderen Sphären.
Wie im Grunde auch dieser Film. Der mexikanische Regisseur Amat Escalante (SANGRE, HELI) erzählt dabei erst einmal auch in THE UNTAMED eine geerdete Geschichte genau beobachteter sozialer und zwischenmenschlicher Zu- und Mißstände: In einer Kleinstadt in der Tiefebene Mexikos lebt das Ehepaar Alejandra und Ángel. Letzterer hat eine heimliche Affäre mit Alejandras Bruder Fabián, einem Krankenpfleger, dem Ángel mit einer verletzenden, machohaften Mischung aus Begehren und Verachtung begegnet. Bis eines Tages Véronica im Behandlungszimmer von Fabián sitzt. Und ihn wenig später zu einem mysteriösen Paar führt, das in einer einsamen Hütte jenen Gast beherbergt, der auch schon Véronica in Ekstase versetzte.
„Wie weit geht man für die geilste Lust?“ ist einer jener wohl werbewirksam gemeinten, reißerisch blöden Fragen, die medial im Zusammenhang mit THE UNTAMED immer wieder auftauchen. Nur, daß Escalantes Film genau das nicht ist: reißerisch und blöd. Vielmehr offenbart sich dieses eigentümliche Werk als ein Stil-Hybrid, in dem sozialer Realismus durch das Phantastische, das Nüchterne durch das (sexuell) Spekulative ähnlich stimuliert wird wie die Sinne dieser Menschen durch das Wesen in der Hütte. Freilich: Der Film behält dabei die Kontrolle, scheint zunehmend selbst mit der interessierten Gleichmut eines Außerirdischen auf ein zunehmend blutiges Drama zu schauen. Seltsam faszinierend!
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.