Dem Briten Ken Loach geht auch im Alter die Entrüstung nicht aus - ein ehrliches, auch sentimentales Erstaunen über Gewalt, die als Antwort immer nur Gewalt bekommt. Immer wieder findet er Geschichten, die - vor allem über die emotionale Anteilnahme - dieser Erschütterung Ausdruck verleihen.
Sie findet sich, gleichnishaft auf den Punkt gebracht, in diesem Brüder-, Liebes- und Revolutionsdrama vor historischem Hintergrund. Angesiedelt im umkämpften Irland zu Anfang des letzten Jahrhunderts, erzählt Loach vom angehenden Arzt Damien, dem Brutalität und Willkür der britischen Besatzer eine schwerwiegende Entscheidung abfordern. Einen letzten ermordeten Nachbarjungen braucht es, damit ihn der ältere Bruder Teddy zur Aufgabe seiner Friedfertigkeit bewegen kann, damit Damien wie er in den nationalen Widerstand geht. Viele weitere Tote, Verwundete, Verkrüppelte dauert es, bis die beiden sich auf gegensätzlichen Seiten eines immer noch blutigen politischen Tauschhandels gegenüber stehen - mit schmutzigen Händen.
Entlang an den Wunden eines historischen Konflikts, der bis heute seine Schatten wirft, entwickelt Loach eine menschliche, eine tödliche Brudertragödie, in der die Parteidisziplin dicker ist als Blut, in der - wie im antiken Theater - jeder unvermeidlich seine Unschuld verliert, so bald er handelt. Fast nebenbei, in den unauffälligen Szenen vor Gericht, in ärmlichen Wohnzimmern oder zwischen den unzähligen, sorgsam abgewogenen Einzelheiten eines diplomatischen Kompromisses, scheitern nicht nur freiheitliche, sondern auch soziale Utopien.
Etwas pittoresk bleibt Loach dabei sowohl in den lieblichen wie in den grausamen Bildern. Und das Historische in den Kostümen, im gesunden Grün der irischen Hügel und ja, auch in der Charakterzeichnung macht sie wie so oft ein bißchen sehr geschmeidig. Nicht etwa einer filmischen Herausforderung galt also die Goldene Palme von Cannes, sondern der direkten und unbestreitbaren emotionalen Überzeugungskraft, einer auf das Ensemble konzentrierten Inszenierung.
Originaltitel: THE WIND THAT SHAKES THE BARLEY
Irland/GB/D/Spanien 2006, 124 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Familiensaga, Polit
Darsteller: Cillian Murphy, Pádraic Delaney, Liam Cunningham, Orla Fitzgerald
Regie: Ken Loach
Kinostart: 28.12.06
[ Sylvia Görke ]