Flirrende Hitze, überall warmes, gelbes Sonnenlicht, sengende Strahlen bündeln sich in einem Wasserfleck auf der Kamera, die einen Mann im Maisfeld beobachtet. Er ist nackt, läßt mit geschlossenen Augen die Blätter seine Haut streicheln und stöhnt vor Lust. Der Mann ist der Farmer Lyle, und sein Sex mit dem Maisfeld ist der erste von vielen, unglaublich vielen Liebesakten, die Barr und Arnold in ihrem Film zeigen.
Lyle lebt mit seiner Frau Amy in einer amerikanischen Kleinstadt. Trotz einer verhaltenen, aber spürbaren Sympathie gibt es zwischen den Eheleuten keine körperliche Nähe. Als Lyles Schulfreund Vernon das Städtchen besucht, verbringt der Farmer eine Nacht mit dessen Freundin Juliette, einer aufreizenden, spröden Französin. Diese Nacht verändert alles. Der sexuell unerfahrene Lyle kann seine seit vielen Jahren gezügelte Leidenschaft nicht mehr bändigen, bekommt kaum genug vom Körper dieser fremden Frau und seiner eigenen Lust.
Wie die Hauptfigur scheint auch die Kamera mehr zu tasten als zu sehen. Sie bewegt sich dicht an der Haut der Liebenden entlang, nimmt ihren Geruch auf, kostet jede Pore aus. Doch dem Regieduo geht es keineswegs um das Entblößen von Intimität. Unter dem vielen "Fleisch", hinter Nacktheit und Sex verbirgt sich eine Seele, die kindlicher und unschuldiger kaum sein könnte. Der zugegeben etwas markige Titel ist keineswegs vorauseilende Selbstkritik der Filmemacher, sondern verweist auf eine angebliche Anomalie von Lyles Geschlecht. Doch die unterstellte äußerliche Monströsität hat sich über viele Jahre in eine innere Verkrüppelung verwandelt, die erst mit Juliette, die von Gerüchten und Vorgeschichten nichts weiß, langsam verheilt. Doch wie die seelischen Wunden geschlossen werden, reißen sie in der prüden Nachbarschaft auf. Lange lassen Barr und Arnold die braven Mitbürger mit ihren scheelen Blicken walten, bis die angestaute Mißgunst im Lynchmord gipfelt - ein zweiter, ein grausamer Befreiungsschlag.
Originaltitel: TOO MUCH FLESH
F 2000, 100 min
Verleih: Arsenal
Genre: Drama, Erotik
Darsteller: Jean-Marc Barr, Elodie Bouchez, Rosanna Arquette
Regie: Jean-Marc Barr/Pacal Arnold
Kinostart: 03.05.01
[ Sylvia Görke ]