Man muß einige dieser Namen einfach mal nennen: Roky Roulette, Mimi le Meaux, Evie Lovelle oder Dirty Martini. Namen wie wunderbare Versprechen, die sich genauso wunderbar erfüllen, sieht man dann die Frauen dazu. Die sind allesamt nicht mehr die Jüngsten, die haben alle schon einiges und nicht nur Schönes erlebt, was durchaus in ihre Gesichter geschrieben steht. Aber sie alle sind verdammt noch mal wirklich (und „wirklich“ meint wirklich) erotisch und großartig, und man muß sie einfach lieben. Wirklich. So wie sie eben auch Mathieu Amalric liebt. Weshalb der Regisseur und Schauspieler sich und diesen Ladies, allesamt wirkliche (!) amerikanische Stars des New Burlesque, einen Film schenkte, in dem Amalric zwar die Hauptrolle, aber natürlich nicht die Hauptattraktion ist.
In Frankreich ließ er eine kaputte Ehe, Schulden und einige Feinde zurück. Joachim Zand, charismatisch und egozentrisch. Der einstige TV-Produzent floh vor dem Chaos seines Lebens in die USA. Und tatsächlich gelang hier ein Neuanfang mit einer von ihm initiierten New-Burlesque-Show. Mit dieser kehrt Joachim, beflügelt vom Erfolg, nach Frankreich zurück. Tingelnd von Hafenstadt zu Hafenstadt. Träumend vom großen Comeback in Paris. Doch für dieses schwelen dort noch zu viele nicht verheilte Wunden.
Diesen Joachim gab es schon einmal. In einem früheren Filmleben, in John Cassavetes’ MORD AN EINEM CHINESISCHEN BUCHMACHER nämlich. Damals hieß Joachim Cosmo (großartig gespielt von Ben Gazarra) und war ebenfalls Chef einer Burlesque-Truppe; war, was er jetzt in TOURNÉE wieder ist: ein schillernder Verlierer mit knittrigen Hemden unter lässigen Jacketts, ein kettenrauchender Vieltrinker, ein sanfter Kerl und harter Hund, ein Frauentyp, der die Frauen nicht halten kann, weil er selbst so haltlos ist.
Nein, TOURNÉE ist kein Remake! Wohl aber eine filigrane Spiegelung (bis in die Kameraarbeit) mit einigen coolen, ironischen Verweisen (toll: die – klar – chinesische Hochzeitsfeier in einem Hotel). Stimmig auch, daß Amalric von der eigentlichen Burlesque-Show kaum etwas zeigt. Dafür die Erschöpfung und die aufgekratzte Stimmung danach, die Depressionen und die Euphorie, das Unterwegssein, die neonhellen Nächte, die auch erotischen Spannungen. Was Amalric geschaffen hat, ist eine Filmballade, in deren Atmosphäre man lümmeln kann wie mit einem guten Drink im tiefen Sessel einer Hotel-lounge. Cheers!
Originaltitel: TOURNÉE
F 2010, 111 min
Verleih: Farbfilm
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Mathieu Amalric, Miranda Colclasure, Suzanne Ramsey
Regie: Mathieu Amalric
Kinostart: 29.09.11
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.