D 2020, 102 min
FSK 0
Verleih: Alamode
Genre: Dokumentation
Regie: Valentin Thurn
Kinostart: 30.09.21
Drosten ist draußen. Der Virologe hätte aber auch drin sein können, und schon hätte der Geschmack von Valentin Thurns Dokfilm TRÄUM WEITER ein Geschmäckle bekommen. Durch die Krux unberechenbarer Aktualitäten. Von der Liste mit 20 potentiellen männlichen und weiblichen Protagonisten, Christian D. inklusive, blieben fünf übrig. Menschen sind es, die nicht nur an ihren Träumen hängen, sondern sie, wach genug, auch ausleben. Das ist überschaubar privat oder gemeinsinnig global, von Mechanismen des kapitalistischen Marktes weitestgehend losgelöst oder bewußt untermauert, im Sprech der einen potentiell verrückt oder in dem der anderen unverzichtbar.
Designer Joy Lohmann bezeichnet sich als Universaldilettant und setzt auf die alte Beuys’sche Idee der sozialen Skulptur, baut mit Gleichwelligen aus Plastikmüll schwimmende Inseln, die auf dem indischen Ganges Rettung, auf einem deutschen See eher Spaß bringen. Line Fuks hat sich mit ihrer Frau aus Deutschland verabschiedet, um der Schulpflicht für sieben Kinder zu entkommen und die Idee des Freilernens zu praktizieren. Carl-Heinrich von Gablenz steht hinter dem Projekt Cargolifter und der stattlichen Zeppelinhalle im südlichen Brandenburg, das sich dort mittlerweile als Tropical Island tarnt. Architekt Van Bo Le-Mentzel glaubt an weißes Papier, mietfreies Wohnen und seine Tiny Houses, der Österreicher Günther Golob war Musiker und Künstleragent, bevor er sich in die Top-100-Kandidaten einer vagen ersten Marsmission katapultierte und fest dazu entschlossen ist, dieses One-Way-Ticket auch einzulösen, sogar ohne Zähne.
Die Tendenz, daß sich Dokfilme seit einiger Zeit verstärkt um Machbarkeiten anstatt ums Anprangern kümmern, ist deutlich. Von TOMORROW und BUT BEAUTIFUL über WER WIR WAREN und NOW bis MITGEFÜHL. Regisseur Thurn hat ebenfalls seine Lebensmittelverschwendungsklage TASTE THE WASTE hinter sich gelassen und vertraut diesmal vor allem den bewährten Kinozutaten. Daß TRÄUM WEITER fesch aussieht, klingt und speziell mit seinen Reisebildern punktet, geht leider auf Kosten der Porträtintensität. Ganz sicher hätte die Beschränkung auf drei der „Träumer“ mehr Durchschlagskraft gebracht und ein Zerfasern verhindert. Ganz sicher auch hätte es beim Publikum die Lust aufs eigene Visionieren gesteigert. Doch nein, schieben wir unsere eigene Lähmung mal besser nicht dem Regisseur in die Schuhe!
[ Andreas Körner ]