Bree steht kurz vor der Operation, die den Wechsel ihres Geschlechts körperlich endgültig besiegeln soll. Der von ihr lang ersehnte Termin aber platzt mit einem Anruf aus einem New Yorker Jugendgefängnis. Es ist Brees Sohn, der sich da meldet, das Ergebnis einer längst vergessenen Nacht zu Zeiten als Bree noch ein Mann war und Stanley hieß. Von ihrer Therapeutin nach New York geschickt, um vor der OP mit der Vergangenheit abzuschließen, trifft Bree auf einen schmalen Jungen, der mit Drogen experimentiert. Dieser hält sie zunächst für eine Jugendfürsorgerin der Kirche, und Bree läßt es dabei bewenden. Aber die Pläne des Jungen sind nicht gerade beruhigend, denn er hat es sich in den Kopf gesetzt, nach L.A. zu fahren, um Pornostar zu werden. Und um seinen Vater zu finden. Bree bietet ihm an, die Reise gemeinsam zu machen und plant insgeheim, den Jungen unterwegs bei seinem Stiefvater abzusetzen ...
In seinem ersten Langspielfilm schickt Duncan Tucker ein seltsames Gespann auf große Fahrt: Die nicht mehr ganz junge transsexuelle Dame, deren Zuhause der Konservatismus ist und der zügellose jugendliche Straftäter, der Zuneigung und Sex verwechselt, sind gleichzeitig Vater und Sohn oder würden es sein, wenn Bree noch Stanley wäre. Was aber sind sie nun und wohin führt ihr Weg tatsächlich?
"Life is more than the sum of its parts" heißt es im Untertitel des Films fast lakonisch, aber wo sollte dies trefflicher sein als hier? So viele Geschichten die Konstellation der zwei Hauptfiguren birgt, Tucker erzählt sie alle - ohne sie fest zu schreiben. Daß dies gelingen konnte, verweist auf ein sehr feines Gespür für Figuren und Situationen und das noch beachtlichere Talent, diesem zu trauen. Ein wirkliches Erlebnis ist dieses transamerikanische Roadmovie, komisch und doch niemals lächerlich, anrührend und doch an keiner Stelle dramatisierend.
Herausragend sind die beiden Hauptdarsteller Felicity Huffman als Bree und Kevin Zergers als Toby, die das ungewöhnliche Duo ebenbürtig und durchweg mit so feinen Nuancen mimen, daß sich die Entwicklung beider Figuren glaubhaft und ohne Brüche vollziehen kann. Auch das Abbild Amerikas ist hier frei von den gängigen Klischees, nicht zuletzt wohl deshalb, weil Tucker auch seine Nebenfiguren sehr genau zeichnet und jede Schwarz-Weiß-Malerei verneint - "Nichts ist so, wie es scheint". Schade, aber nach 103 Filmminuten ist es dann wieder Zeit anzukommen.
Originaltitel: TRANSAMERICA
USA 2005, 103 min
Verleih: Falcom
Genre: Roadmovie, Schwul-Lesbisch, Erwachsenwerden
Darsteller: Felicity Huffman, Kevin Zegers, Fionnula Flanagan
Stab:
Regie: Duncan Tucker
Drehbuch: Duncan Tucker
Kinostart: 16.03.06
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.