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Trash Humpers

Entmenschlichung oder Masturbation im Kunstkleid?

Es gibt schönere Kindheitserinnerungen: In zartem Alter schaute Harmony Korine einst nächtens aus dem Fenster und sah einen Trupp Rentner, der betrunken Mülltonnen fickte. So etwas prägt. In Korines Fall entstanden daraus unter anderem kontroverse Drehbücher wie KIDS oder KEN PARK. Und jetzt eben TRASH HUMPERS.

Die Werbung verhaftet das Werk in Nähe von David Lynch, was aber nur dann logisch erscheint, wenn man Lynchs Bekenntnis „It’s Better Not To Know So Much About What Things Mean ...“ darauf anwenden will. Stufe 1 zeigt drei auf alt getrimmte Darsteller beim Sex mit ihrer Umgebung – da müssen Container, Pfähle und Zäune dran glauben, ein besonders glücklicher Baum bekommt gar einen Blowjob. Dann tauchen zwecks Steigerung allerlei Nebenfiguren auf: Ein dickes Kind erschlägt mit wachsender Begeisterung Babypuppen, nackten Rubens-Damen wird der Hintern versohlt, siamesische Zwillinge frönen widerlichen kulinarischen Genüssen. Und so weiter. Zwischendurch gibt’s in Nahaufnahme Zehennägel, die selbst gestandene Podologinnen schocken könnten, homophobe Witze, Folter und Mord mit „Good Job!“-Belobigungen. Und natürlich ständige Begattung von allem, was so in der Botanik rumsteht.

Ohne Handlung reihen sich solche Szenen aneinander, durch nichts verbunden, woraus ungeachtet ziviler Laufzeit zunehmend Längen entstehen, zumal sich dieser Film (?) den Vorwurf der Redundanz gefallen lassen muß – auf Dauer wird’s öde. Nun darf man sich berechtigt fragen: Was soll das alles? Erklärungsansatz A findet keinen rechten Sinn und unterstellt Korine lediglich Provokation zum Selbstzweck. These B sieht hier jedoch fiese Doppelbödigkeit, eine Welt ohne Werte oder Ideale, bevölkert von Menschen, welche sich eigentlich nicht mehr so nennen dürfen. Pure Sozialkritik also, ein Abgesang auf die moderne – nicht bloß amerikanische – Gesellschaft, ihren Überdruß, die Mediengeilheit und zunehmende Verrohung, das stete Konsumieren, die gleichgültige Grenzüberschreitung, den Verlust an Kommunikation, wofür durchaus die primär aus Grunzen, Lachen und Johlen zusammengesetzte Tonspur stehen könnte. Ruhe sanft, Humanität.

Wie auch immer man sich da entscheiden mag, was tatsächlich eine private Angelegenheit ist: Es sei interessierten Kinogängern angeraten, so oder so das Schlimmste zu befürchten. Und anschließend dem Verlangen zu duschen nachzugeben.

Originaltitel: TRASH HUMPERS

USA/GB 2009, 78 min
FSK 18
Verleih: REM

Genre: Experimentalfilm

Darsteller: Rachel Korine, Brian Kotzur, Travis Nicholson, Harmony Korine, Chris Gantry

Stab:
Regie: Harmony Korine
Drehbuch: Harmony Korine

Kinostart: 31.03.11

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...