CH/D 2013, 99 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm
Genre: Drama, Episodenfilm
Darsteller: Marisa Paredes, Devid Striesow, Stefan Kurt, Luna Mijovic
Stab:
Regie: Petra Volpe
Drehbuch: Petra Volpe
Kinostart: 11.12.14
Weihnachten in Zürich – warm blinken Lichter überall, doch menschlich herrscht klirrende Kälte: Rolf, geschieden, versucht verzweifelt, seine Tochter zum gemeinsamen Essen zu überreden. Lena findet ein leeres Tütchen Gleitgel und stellt ihren Mann zur Rede. Sozialarbeiterin Judith pflegt nach Dienstschluß eine Affäre, was auffliegt und zum großen Knall führt. Schließlich rüscht sich die verbitterte spanische Witwe Maria auf, weil sie es endlich wagen will, den heimlich verehrten Bekannten einzuladen.
Ein langer Tag, während dessen Verlaufs alle genannten Personen auf Mia treffen, eine hübsche Bulgarin, welche immer bloß als „so eine“ oder gleich „Schmutz“ betitelt wird, verkauft sie sich doch an Männer. Heiligabend scheint das Geschäft zu florieren, Einsamkeit trieft gerade zum Fest der Liebe aus jeder Pore. Was Regisseurin und Autorin Petra Volpe zwingend illustriert, übliche Klischees unbedient läßt, ebenso kaum Nähe erlaubt. Volpe filmt häufig hinter angelehnten Türen hervor, verinnerlicht den Blickwinkel abgeranzter Straßenecken, bleibt distanziert, einem Eindringling gleich, der beobachtet und studiert. Wenn sie sich den Figuren unverhofft zuwendet, geschieht das mit Sprüngen ins Gesicht, wo Augenringe, Falten, verkniffene Münder oder strähniges Haar lauern. Freude kennt dieses nominelle TRAUMLAND nur von fern, aus besseren Tagen eventuell.
Daran ändert teils skurriler Humor nichts, welcher möglicherweise für befreiendes Lachen stünde, wäre er weniger zynisch, schmerzhaft, finster. So zieht Volpe die Schraube bloß fester, gewährt keinen Moment Erholung, zwingt den Zuschauer hinein in jene Welt, der längst abhanden kam, was den Grundstein humanen Zusammenseins bildet: Kommunikation. Man redet wenig, dafür stets aneinander vorbei, selbstfixiert auf das dröhnende „Ich“, das kein „Wir“ kennt.
Was schließlich auch Mias Verhängnis ist, zu dem sämtliche Protagonisten etwas beitragen. Ihr markerschütterndes Schicksal besiegelt trotzdem letztlich ausgerechnet Maria, von Almodóvar-Muse Marisa Paredes gewohnt reduziert, aber höchst ausdrucksstark zwischen zerfressender Verzweiflung und bösartiger Bigotterie gespielt, das Ende einläutend, nach dem man nur eines möchte: über das Gesehene sprechen, vom Kinodunkel-„Ich“ zum austauschenden Verbal-„Wir“ wechseln. Ein weiterer Verdienst Volpes reinschlagend-entlarvenden Films.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...