Originaltitel: TREASURE

F/D/Polen/USA 2024, 110 min
FSK 12
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Lena Dunham, Stephen Fry, Zbigniew Zamachowski

Regie: Julia von Heinz

Kinostart: 12.09.24

1 Bewertung

Treasure

Ironie und Dilemma

Die australisch-amerikanische Schriftstellerin Lily Brett kam 1946 unter dem Namen Lilijahne Breitstein zur Welt. Als Kind polnisch-jüdischer Eltern, beide Auschwitz-Überlebende, die es in ein Camp für Displaced Persons nahe Bayreuth verschlagen hatte. Ausgerechnet dort, in der bajuwarischen Spießerstädtchen-Kulisse mit deutscher Hochkultur-Aura, wurde Lilijahne geboren. Ironie der Geschichte. Von dieser versteht Lily Brett mehr, als einem möglicherweise lieb sein kann. „Too Many Men“ heißt eines ihrer Bücher. Es erzählt von der New Yorker Jüdin Ruth, die kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihren alten Vater zu einer Reise nach Polen nötigt. In die Heimat, zu den Wurzeln soll es gehen. Nur sind, wenig überraschend, diese Wurzeln auch solche eines abgrundtiefen Schmerzes. Warschau, ?ód?, Krakau, Auschwitz-Birkenau sind die Stationen dieser Vater-Tochter-Reise, die bitterer und trauriger kaum sein kann. Komischer, anrührender und hoffnungstrotziger aber auch nicht.

Die deutsche Regisseurin Julia von Heinz hat das Buch jetzt unter dem Titel TREASURE verfilmt. Und auch wenn es immer etwas müßig ist, Vorlage und Adaption, also Literatur und Kino, aneinander zu messen, kommt man hier kaum drum herum. Warum? Weil von Heinz auf eins der charakteristischsten Elemente der Geschichte verzichtet hat: Auf ihr galliges Lachen und den wütenden Humor.

Denn wo der Film, bei aller legitimen Freiheit gegenüber der Vorlage, die zwar liebevolle, aber eben auch schwierige Beziehung zwischen Ruth und ihrem Vater gekonnt aufzuzeigen weiß, duckt er sich an anderer Stelle geradezu weg. Was das meint, offenbart sich nicht nur, aber am Exemplarischsten in jenen Szenen, die im Buch mit maximal schonungslosem und sarkastischem Blick menschliche Habgier und polnischen Antisemitismus kurzschließen. Von der provokanten Galligkeit, dem wütenden Humor, mit dem „Too Many Men“ das angeht, ist in TREASURE wenig geblieben.

Möglich, daß sich das einem Dilemma schuldet. Genauer: der Frage, ob ausgerechnet ein federführend deutscher Film diesen Blick auf Polen teilen kann, so berechtigt der Blick auch sein mag. TREASURE beantwortet die Frage mit Nein. Das ist moralisch richtig. Und macht den Film zugleich kommensurabler, als es gut für ihn ist. Ironie der Geschichte.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.