D 2016, 90 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Roadmovie, Erwachsenwerden, Literaturverfilmung

Darsteller: Tristan Göbel, Anand Batbileg

Regie: Fatih Akin

Kinostart: 15.09.16

23 Bewertungen

Tschick

Ein Freund, ein guter Freund

Das Umfeld von Pressevorführungen zu beschreiben, hat meist etwas Angeberisches, darüber hinaus ist das handwerklich ziemlich öde, aber manchmal, ganz selten freilich, muß man das tun. Weil das dortige Ambiente bisweilen ganz abenteuerlich zum gezeigten Film paßt. So geschehen an einem heißen August-Tag: Da wurde im Kinosaal vor Beginn des Films allen Ernstes eine Weihnachtslieder-CD runtergespielt. Und nun leiert es bei solchen CDs ja meist schon bei Titel 2 gehörig in den Ohren, und das paßte wiederum zu TSCHICK, auch dort leiert ein irgendwie schon in den Kindheitsjahren des Rezensenten totgespielter Titel: Richard Claydermans „Ballade pour Adeline“ wird von Tschick und Mike in dem geklauten Lada entdeckt, bestaunt, gehört – bis zum Bandsalat. So sagte man dazu, wenn das Kassettenband auslief. Das Wort kennen die beiden 14jährigen nicht mehr, was auch egal ist, sie sind ohnehin – und das ist schon das Besondere auch an Wolfgang Herrndorfs tollem Buch gewesen – keine zeitgeistigen Rotzer, die noch immer alles besser wissen, alles haben, überall reinpassen.

Maik paßt definitiv nicht in seine Klasse. Er ist ein Träumer, der sich die Einladung zur Party der angehimmelten Tatjana zwar wünscht, sich dafür aber nicht krumm machen würde, der gnadenlose Aufsätze mit sehr privatem Anstrich, die Alkoholexzesse von Mama inklusive, schreibt und dafür „Psycho“ genannt wird. Und Tschick, der Russe, der jüdische Zigeuner, Wolgadeutscher, Walache, alles irgendwie zusammen, ist der Neue in der Klasse und für Maik erst einmal nur der Assi. Daß aus den beiden Freunde werden, nimmt seinen Anfang in der Tatsache, daß sie wohl die einzigen sind, die nicht zu Tatjanas Party eingeladen wurden. Tschick hat aber den ganz großen Auftritt in petto ...

TSCHICK, der Film, ist genauso gut geworden, wie eine Adaption von „Tschick“, das Buch, nur werden konnte. Das klingt seltsam, ist aber so gemeint: Das Feuilleton hatte sich damals schon ein wenig vergaloppiert, indem es in Herrndorfs leichtem, punktgenau beobachtetem und mit reichlich Witz, Gerissenheit und Lockerheit erzähltem Roadbook das neue deutsche Literaturwunder sah. Das war Quatsch, zielte daneben und übersah zugleich, was Herrndorfs Buch und eben jetzt auch dem Regisseur Fatih Akin mit der Verfilmung dessen gelang: mit Leichtigkeit, ohne Zeigefinger und dafür mit einer irren Echtheit einen Entwicklungsroman zu wuppen, der deutsch und universell funktioniert, der sich dabei niemals breit fährt in den pubertären Flachwassern zigfach erzählter Teengeschichten. Dieser Blick aufs Erwachsenwerden hat so gar nichts von Musil, von Eichendorff oder eben Hesse. Zum Glück. Buch und Film nehmen ihre Figuren durchaus ernst, schultern ihnen aber keine übergroße Schwermut auf, und wenn es mal philosophisch werden darf, dann formuliert das Tschick gleich selbst: „Ohne Sinn!“

Akin blieb gut beraten nahe am Buch, ganze Textpassagen finden sich im Film wieder, den Rest zum Gelingen der Verfilmung leisten die bestens besetzten jungen Darsteller und eine gut geführte Kamera, der man die wilde Lust vor allem bei der Fahrt durchs Maisfeld nachfühlt. TSCHICK ist die hinreißende Geschichte einer Freundschaft wider Willen, der schon deswegen nichts mehr etwas anhaben kann, weil die Jungs auf sympathische Weise erkennen, daß Normalität heutzutage echt kaum noch Spaß bereitet. Und dann stelle man sich einen größeren Freundschaftsschwur als den von Maik vor: „Einen Moment dachte ich darüber nach, auch schwul zu werden.“

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.