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Twelve

Vom Maroden hinter dem schönen Schein

In mehrerlei Hinsicht war die Adaption von Nick McDonells Roman „Zwölf“ für Joel Schumacher ein ideales Projekt; vor allem deshalb, weil Schumacher nie facettenreiche Charaktere auf die Leinwand bringen konnte. Und genau das verlangt TWELVE nicht, da sich im glitzernden New York klar umrissene Menschen tummeln.

Da hätten wir den privat absolut cleanen Drogendealer White Mike sowie die ihn heimlich liebende Molly als Mädel von nebenan. Hinzu kommt Schnepfe Sara, mit der jeder Knabe eine Nacht verbringen will, unter anderem Chris, Außenseiter und Porno-Freak. An der labilen Front nicht zu vergessen noch Hobby-Psychopath Claude und Jessica, unter einer von Ellen Barkin angemessen kalt gespielten Mutter leidend, welche ihrer Sorgepflicht durch Empfehlung eines Psychiaters nachkommt. Diese und weitere Jugendliche sehen in der Droge „Twelve“ eine Chance, dem jeweiligen Lebenssumpf zeitweise zu entsteigen, doch das Schicksal mischt seine eigenen, tödlichen Karten …

Die Verfilmung kocht dagegen ein weniger individuelles Süppchen, hält sich strikt, im Dialog oft 1:1, ans Buch und birgt für Vorlagenkenner nur begrenzt Neues. Immerhin wurde manche überflüssige Passage entfernt, das Personal dezent ausgedünnt und damit eine Erhöhung des eh rasanten Tempos erzielt. Und weil Schumacher mit den Figuren kaum was falsch machen konnte, verlegte er sich auf andere Qualitäten.

Tatsächlich gelingt es ihm (oder primär seinem Kameramann?), fiebrige Bilder einzufangen, visuelle Effekte sinnvoll einzusetzen, beispielsweise sind häufig für wahre Emotionen stehende Rückblenden fast bühnenartig aufs Wesentliche reduziert. Auch die Musik reicht dem optischen Anspruch alle Hände, audiovisuell gibt’s also Pluspunkte. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Und apropos Erwartungshaltung: Natürlich dürfen die meist erlesen hübschen Jungdarsteller ihre Modelgesichter zur Schau stellen, weshalb Julia Roberts' Nichte Emma als Molly – Abweichung zum Roman! – auch über keine Brille verfügt. Dennoch geht die mimische Ensembleleistung darüber hinaus, hier agieren echt gestört wirkende Heranwachsende stets einen Schritt vor dem Abgrund.

Zur Rundumschlags-Satire à la Bret Easton Ellis reicht es somit zwar weder für Buch noch Film, da sie selbst zu tief in der von ihnen karikierten Oberflächlichkeit gefangen bleiben, aber beide funktionieren. Auf ihre Art.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...