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Über-Ich und Du

Aber was macht das ES?

Was von diesem Nick, jenem schieberbemützten Filou mit Kippe im Mundwinkel und Interesse an wertvollen Büchern zu halten ist, verrät uns sein Anrufbeantworter. Um Rückruf wird gebeten – wegen nicht erfüllter Aufträge, uneingelöster Versprechen, aufgehäufter Schulden. Höchste Zeit also für einen Ortswechsel. Mit nicht ganz legalen Mitteln erschleicht er sich einen Job als Haushälter Schrägstrich Betreuer im bildungsbürgerlichen Anwesen des betagten Psychoanalytikers Curt Ledig. Dessen erwachsene Töchter wüßten den inzwischen reichlich zerstreuten Vater bei seinen Nordic-Walking-Ausflügen in die Küche lieber unter fachmännischer Aufsicht. Doch wenn die Katzen aus dem Haus sind, tanzen die Mäuse auf dem Tisch, heißt es. Und so entwickelt sich die anfangs unterkühlte Männerbeziehung zu …

Ja, zu was eigentlich? Wer auch immer für diesen Film den Terminus Double-Trouble-Buddymovie einführte – er gehört ins Lexikon, gleich hinter den Erfinder der Ohrentrompete und noch vor das Stichwort „Neue Berliner Schule.“ Ein gesellschaftlich reflektiertes wie relevantes Filmemachen, das sich am deutschen Alltag reibt, ist damit gemeint. Schnell hatte man Benjamin Heisenberg mit seinem Debüt SCHLÄFER und dem Nachfolger DER RÄUBER dieser jungen Tradition zugerechnet. Mit ÜBER-ICH UND DU versucht sich Heisenberg nun erstmals an einer Komödie, die irgendwie mit dem tiefenpsychologischen Phänomen der Übertragung zu tun hat, vielleicht auch mit Verdrängung, Demenz oder Freundschaft und möglicherweise sogar mit Humor.

Für all das finden sich Indizien – in Curt Ledigs angedeuteter Naziverstrickung, in seinem psychoanalytischen Experiment mit Nick, bei dem Curts Angst, die Küche zu betreten, wie ein Floh auf den eigentlich angstfreien Kleinganoven überspringt, schließlich in einer schillernden Nebenfigur namens „Mutter“, die eine Miniaturarmee von Knochenbrechern und Autoschiebern befehligt. Der Plot ist sozusagen turbulent, die bis ins Tirol sich windende Filmgeographie auch, der Witz verdreht, die Milieus verweht und das Thema geheimnisvoll. Zum Trost gibt es lakonische Bilder, die mitsamt dem Schauspieler-ensemble aus dem Universum des Ulrich Seidl stammen könnten. Und es gibt einen wie immer wunderbaren Hauptdarsteller Georg Friedrich, der zum Glänzen offenbar noch nicht einmal einen vernünftigen Grund braucht.

D 2014, 94 min
FSK 6
Verleih: Piffl

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Georg Friedrich, André Wilms, Maria Hofstätter, Eisi Gulp

Regie: Benjamin Heisenberg

Kinostart: 08.05.14

[ Sylvia Görke ]