Originaltitel: RICHARD THE STORK
D/Belgien/Luxemburg/Norwegen 2017, 84 min
FSK 0
Verleih: Wild Bunch
Genre: Kinderfilm, Computeranimation, Abenteuer
Stab:
Regie: Toby Genkel, Reza Memari
Stimmen: Christian Gaul, Nicolette Krebitz
Kinostart: 11.05.17
Wer in Hörweite eines Spatzenmassentreffpunkts wohnt, ist erst ziemlich fix akustisch angeschlagen und nachfolgend neugierig: Was erzählen die Kerlchen einander da so unermüdlich den lieben langen Tag?! Nun, vielleicht die Heldenmär vom tapferen Richard: Weil Verlust im Kinderfilm seit BAMBI oft ein Thema stellt, wird der Kleine noch vor seinem Schlupf marderseitig zur Waise gemacht, dann von einer Storchenfamilie liebevoll aufgezogen. Weswegen er sich selbst natürlich für einen Storch hält, der ebenso logisch mit zum Winterquartier nach Afrika fliegen will. Wird ihm jedoch verboten, weil zu schwach, er bleibt zurück. Erneut allein.
Richard nimmt’s relativ unbeeindruckt zur Kenntnis und geht trotzdem auf Reisen zum Schwarzen Kontinent, den Lütten hindert keiner dran! Unterstützend dabei: die zu groß geratene und daher verlachte Zwergeule Olga plus imaginärem Freund Oleg sowie Kiki, ein beleibter Disco-Wellensittich mit häufig graziös abgespreiztem Flügel, welcher am liebsten Diana Ross’ „I’m Coming Out“ zwitschert, derzeit allerdings gezwungenermaßen Elvis imitieren muß, und (zumindest vorerst) ganz eigene Ziele verfolgt …
Nüchtern zusammengefaßt: drei Vögel, einer identitätsgestört, der andere durch die intolerante Umwelt psychisch beschädigt, der dritte schwul und unentfaltet, auf unerwartet großer Außenseiterabenteuertour. Und zwar derart selbstverständlich in den jeweiligen Ticks und Besonderheiten, nie schräg als „anders“ beäugt und normabweichend ins Zentrum der Betrachtung gerückt, daß es nicht nur jungen Zuschauer wahre Freude bereitet. Diversität ist Trumpf, Individualität großartig – eine zeitlose Botschaft, mitunter etwas überraschungsarm, aber umso charmanter ans Publikum gebracht, zwischendrin auch mal leicht traurig (Oleg verläßt Olga!), immer inklusive hoher gefühlter Hingabe.
Im Timing genau getroffene Action ohne nervend knallige Aufregung, große Gefühle fern kitschiger Absäufnisse, deutlicher Anspruch, dem indes keine didaktische Schwere die unterschwellige Ausbreitung erschwert: ÜBERFLIEGER macht vieles, eigentlich sogar fast alles richtig. Wünschenswert wäre allein hier und dort mehr Mut zum humorvollen Überkandidelten statt zurückgenommener Nüchternheit gewesen – die durchgeknallten internetabhängigen Tauben geben diesbezüglich schon eine sehr korrekte, tatsächlich irre komische Flugrichtung vor.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...