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Ummah – Unter Freunden

Alle Orientteppiche fliegen hoch!

Schüsse aus dem Off, zwei Tote bleiben liegen, ein Verletzter schleppt sich zum Rapport. Daniel arbeitet für den Verfassungsschutz im Neonazi-Milieu und ist hiermit aufgeflogen. Aber das ist nur der Anfang einer Geschichte, die sich mit ihren gedrehten Perspektiven und gekippten Klischees in so etwas wie die neue deutsche Problemfilmtradition stellt. Die traut sich Lust an der Unterhaltung, an filmischen Häkelarbeiten mit Genremustern und verdankt sich wohl vor allem Fatih Akin. Denn mit dessen Erfolgen gingen Türen auf, durch die junge Filmemacher aus ihren „Migrationshintergründen“ vielleicht ein wenig leichter als früher an die Rampen des deutschen Kinos vorzudringen vermögen. Was dadurch zu gewinnen ist, zeigt Cüneyt Kayas Spielfilmdebüt, das sich im Grunde fast als parodistische Umkehrung des Themas Migration verstehen läßt.

Denn V-Mann Daniel taucht nach dem verpatzten Einsatz ausgerechnet in einem Zuwandererkiez in Neukölln unter: Willkommen in Berlinistan! Die Wohnung ein Dreckloch, das Herz eine Mördergrube, die Seele beschädigt. Aber zum Wunden lecken bleibt kaum Gelegenheit. Denn Abbas und Jamal vom A&V um die Ecke, in dem Daniel eigentlich nur einen Fernseher kaufen wollte, sind wild entschlossen, den verlotterten Fremdling in ihre großen Herzen aufzunehmen. Daniel kann sich kaum retten vor all den Tee- und Hochzeitseinladungen, vor brüderlichem Schulterklopfen, vor der Diskretion, mit der die neuen Freunde auf unangenehme Nachfragen verzichten. So geht „Willkommenskultur“, so formuliert man „Integrationsangebote.“ Doch als er endlich bereit ist, die geschenkte Freundschaft anzunehmen, bringt sich sein Vorgesetzter vom Verfassungsschutz in Erinnerung – mit einem neuen heiklen Auftrag …

Cüneyt Kaya hat Mut zum Märchen und verlangt seinem Publikum einen Glauben an das Grundgute ab, den einem andere Filmemacher so sehr abzutrainieren bemüht sind. Egal. Diese islamische Liebesgemeinschaft hat Witz und, jedenfalls meistens, jene Street Credibility, die dem deutschen Kino oft bitter abgeht. Aber den Mut zur Beschränkung konnte Kaya nicht aufbringen. Und die wäre bisweilen nötig gewesen. Denn während man durch Berliner Tee- und Gebetsstuben gleitet wie auf einem fliegenden Teppich, bergen die Landungen im reichlich papierenen, sich selbst trampelhaft auf den Füßen stehenden Geheimdienstplot immer auch erhebliche Unfallgefahr.

D 2013, 104 min
FSK 12
Verleih: Senator

Genre: Komödie, Krimi, Poesie

Darsteller: Frederick Lau, Kida Khodr Ramadan, Anneke Kim Sarnau

Stab:
Regie: Cüneyt Kaya
Drehbuch: Cüneyt Kaya

Kinostart: 12.09.13

[ Sylvia Görke ]