„Underdog“ ist eine Parabel auf die Lage der ungarischen Gesellschaft. Bisher wurde der Film mit einem Hauptpreis in Cannes und einer Nominierung für den OSCAR bedacht. Dabei ist die vordergründige Story erst mal simpel: Ein Mädchen wird von der Mutter beim getrennt lebenden Vater geparkt, damit diese ins Ausland reisen kann. Bald wirft der überforderte Vater den treuen Hund des Mädchens aus der Wohnung, da der ein Mischling und in Budapest deshalb nur mit kostenpflichtiger Sondergenehmigung erlaubt ist. Nun folgt, was folgen muß: Mädchen sucht Hund und gerät dabei aus der Bahn (und in Konfrontation mit diversen herzlosen Erwachsenen), Hund sucht Mädchen und erlebt dabei die Hölle auf Erden (durch herzlose, ebenfalls erwachsene Hundehasser).
Im zweiten Teil bedient sich UNDERDOG hemmungslos an klassischen Katastrophenfilmvorlagen und inszeniert einen Aufstand der Hunde, dem all jene zum (blutigen) Opfer fallen, die sich an den besten Freunden des Menschen versündigt haben. In wenigen Minuten kippt das, was anfangs wie leidlich gut fotografiertes Arthouse-Kino aussah, ins Splatter-Genre. Die Tiere werden zu mordenden Bestien, die durch die Straßen zu fließen scheinen, ohne daß sie jemand stoppen kann. Einzig das junge Mädchen stellt sich der Hundeflut entgegen.
So weit, so vorhersehbar. Leider führt die Tatsache, daß sich der Film zwischen den Genres bewegt, keineswegs dazu, daß er sich von jeder Stilrichtung die besten Ideen einverleibt. Vor allem die erste Hälfte krankt an einem scherenschnittartigen Drehbuch, in dem sich die Erwachsenen benehmen, als wären sie gerade einem Grimmschen Märchen entsprungen und könnten es kaum erwarten, die junge Heldin zu demütigen. Noch schlimmer wird es, wenn die Hunderevolution ihren Lauf nimmt. Um die tierischen Massenszenen noch bedrohlicher zu gestalten, wurden die rennenden Hunde einfach ein paar Takte schneller gedreht, was leider eher an Slapstick erinnert, statt bedrohlich zu wirken.
Kurz und gut: Wer UNDERDOG als Gleichnis auf ein Ungarn unter Victor Orban sehen will, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß hier ein Land buchstäblich vor die Hunde geht. Der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Es sind die Erwachsenen, mißgünstig, brutal und machtgeil, die dem Rest der Gesellschaft ein Leben in Würde erschweren.
Originaltitel: FEHÉR ISTEN
Ungarn 2014, 119 min
FSK 12
Verleih: Delphi
Genre: Drama, Horror
Darsteller: Zsofia Psotta, Luke und Body, Sandor Zsoter
Regie: Kornél Mundruczó
Kinostart: 27.08.15
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.