Der Volksmund würde ihn als Krüppel bezeichnen. Und in der Tat ist René realistisch genug, um sich als einen solchen zu betrachten. Seine fortschreitende körperliche Lähmung erzwingt auch eine geistige: Er ist nur ein Heiminsasse in einem unfreiwilligen Zölibat. Wer noch auf zwei Beinen kriechen kann, ist vor seinen Zoten nicht gefeit. Der Verschleiß an Renés weiblichem Pflegepersonal, das für ihn nur aus "ungebildeten, verklemmten Mösen" besteht, ist recht hoch, genau wie sein IQ. Auch seine Mitbewohner ernten bestenfalls ein zynisches Lächeln: Wer wie sie so blöd ist, nach Lourdes zu pilgern, muß sich nicht wundern, daß die Rollstühle hernach nicht vergoldet sind.
In einem Pflegeheim für körperlich Behinderte, das versucht, das Beste aus der Situation zu machen ( ein solches Heim an sich dürfte schon die Ausnahme sein), ist das "Beste" selten das Richtige. Man ist immer bereit. Bemüht. Belastbar. Und recht bald: bequem. In dieses Eingerichtetsein verirrt sich ein couragiertes Schneewittchen namens Julie, der es noch schwerfällt, ihre Patienten nicht als Persönlichkeiten zu betrachten. Sie ist die einzige, der René den Grund seiner Übellaunigkeit anvertraut: Ihm platze fast der Hosenstall, und wenn sie nicht schleunigst eine Hure für ihn herbeischaffen könne, müsse er sein lustdämpfendes Leben frühzeitig beenden...
Es ist selten, daß man dem Thema Sexualität (zumal im Film) noch etwas abgewinnen kann. Jean-Pierre Sinapis Film glänzt durch schwarzen Humor und eine von Mitleid befreite Sicht auf Behinderte: "Daß sie behindert sind, heißt nicht, daß man nicht über sie und mit ihnen lachen kann. Ich war schon immer schockiert von dieser verkappten Form der Zurückweisung, die sich an erster Stelle in der totalen Verleugnung ihrer Sexualität äußert."
UNEASY RIDER bezieht seine Authentizität aus einer Videokamera, genauester Beobachtung und dem Komparsenspiel tatsächlich Behinderter.
Originaltitel: NATIONALE 7
F 1999, 90 min
Verleih: Arthaus
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Nadia Kaci, Olivier Gourmet, Lionel Abelanski
Regie: Jean-Pierre Sinapi
Kinostart: 05.04.01
[ Angela Rändel ]