Originaltitel: SOUS LES ÉTOILES DE PARIS
F 2020, 86 min
Verleih: Arsenal
Genre: Drama
Darsteller: Catherine Frot, Mahamadou Yaffa, Jean-Henri Compère, Raphaël Thiéry
Regie: Claus Drexel
Es war einmal … Christine. Könnte man sonor sagen, damit meinen, wie märchenhaft dieser Film schwebt, rund um eine fast verwunschen scheinende Figur. Wobei es eben auch böse Wünsche gibt, und das Schicksal hat Christine einige davon angehangen. Viel erfahren wir gottlob nicht, ein rückwärts brennendes Foto soll genügen, tut es tatsächlich, weil Biographien überflüssig sind, es reicht, Christine beim Füttern streunender Katzen zu beobachten. Obwohl sie kaum etwas besitzt, obdachlos in Paris umherstreift, nachts an der Seine unterschlüpft. Für deren atemberaubende Schönheit sie keinen Blick mehr opfert – Kameramann Philippe Guilbert dagegen schon, ein Meister in Malerei aus Licht und Schatten, ein Bildermagier, der sehnsüchtige Poesie neben niederschmetternden Realismus zaubert.
Was die Handlung parallel ihrerseits versucht, Christine auf Suli treffen läßt. 8jähriger Migrant aus Eritrea, verloren. Und nun wirft ein Regisseur die perfekt geölte Erzählmaschinerie an; nach anfänglicher Überforderung und mißglückten Bemühungen, das Kind abzuwehren (gewiefter Einsatz eines Toilettenhäuschens inklusive!), kapituliert Christine und geht auf Muttersuche.
Daß sie dabei letztlich gar ihr weniges Verbliebenes verlieren wird, gehört natürlich zum Drehbuchplan und dessen Fokus darauf, was die innerlich Gebrochene umgekehrt gewinnt oder neu entdeckt. Auf emotional Bewährtes setzen heißt die Devise und funktioniert ungeachtet mancher Überhöhung; es greift direkt ans Herz, wenn der traurige Junge mit den riesigen Augen seine rudimentären Sprachkenntnisse zusammenkratzt: „Merci!“ Aber bisweilen ist’s doch ziemlich wackelig, ein Bein ins Hier und das andere irgendwo mitten rein in wattige Poesie zu stellen. Was einschließt, daß sich künftig auftauchende Figuren von Grautönen bereinigt selbst unter „gut“ oder „schlecht“ einordnen, stets hilfsbereite Hände harren und recht konstruierte Zufälle Christines Mission immer wieder vorantreiben. Es gilt früh zu entscheiden: dick draufgepropfte Lüge oder hingebungsvolle Hoffnung auf wirklich geschehende Wunder – und sei es oft genug bloß auf der Leinwand?
Unbestritten bleibt indes so oder so, welchen wortwörtlichen Spielraum Catherine Frot vorfindet, und wie sie die Chance nutzt. Krächzend, schreiend, verzweifelnd. Lächelnd, erwachend, strahlend. Eine unvergleichliche Studie menschlicher Würde.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...