Bereits der Titel lockt auf die falsche Fährte, suggeriert er doch semantisch wie auch interpunktuell Tempo. Eine Geschwindigkeit, die der Film nicht hat, nicht haben kann und von Grund aus auch nicht braucht, ist seine Geschichte doch aufs norddeutsche Land gepackt. Nun bedarf es ja nicht zwangsläufig derartiger typographischer Spielereien, um ein wenig aufs Gas zu treten, hier aber wird man ohnehin doppelt veralbert, weil der Film in keinerlei Hinsicht in die Gänge kommt. Dabei ist die Geschichte nicht gänzlich ohne Reiz.
Arnold, ein semmelblonder junger Mann, bastelt an einer Maschine, mit der er sich verabschieden will, ins All womöglich, wohin auch immer, zumindest weg, wie einst sein Vater. Dazu fühlt er sich berufen, sehr zur Sorge seiner wahrscheinlich noch immer traumatisierten Mutter. "Wahrscheinlich" deshalb, weil sich der Regisseur nicht groß von üblen Anstrengungen wie Figurenzeichnung und Glaubwürdigkeits-Check hat ablenken lassen, und sich dafür voll auf die Skurrilität und die emotionalen Momente seiner Geschichte konzentrierte. Was verlorene Liebesmüh war, denn skurril sieht anders aus, und Identifikationsmöglichkeiten mit auch nur einer seiner zahlreichen Figuren werden im Keim erstickt. Da die polternde Ärztin, die sich des Jungen erst fachlich dann amourös annimmt, hier der liebeskranke Dorfarzt, der an Arnolds Mutter gräbt, dort der böse Pfleger und dazu der unerbittliche Anstaltschef. Ja, weggesperrt hat man den Tüftler Arnold, und natürlich in ein Heim, das so zeit- und lebensfremd wirkt, daß man kopfschüttelnd einiges an Staunen hervorbringt.
Staunen auch darüber, was Hardi Sturm eigentlich erzählen will. Die Geschichte eines Irren, die Geschichte einer voreilig urteilenden Gesellschaft, gar eine Hymne auf das Individuum? Gerne, dann hätte er das tun sollen. Aber Sturm reißt nur an, behauptet, lotet nichts aus, zimmert putzige Kulissen, schneidert schrille Kostümierungen und ersäuft höchstpersönlich seinen ambitionierten Film in breiigem Manierismus. Zudem klaut er fremde Filmideen derart ungeschickt und aufgesetzt, daß es nur noch peinlich ist, wenn es plötzlich Fische vom Himmel regnet.
Und zu diesem ganzen Unfug gibt es wieder die Klangkulisse aus der Ramschkiste: Studentenbands, die alles wollen und wenig können, versuchen durch unmotiviertes Gitarrengezupfe und in Holzhackreimem Anteilnahme zu befehlen. Pustekuchen, denn allein beim Spiel seiner Hauptfigur steigt der geduldigste Zuschauer aus: Max Riemelt, der noch so jung ist, und den man leider schon jetzt kaum noch sehen mag, spielt diesen wahrscheinlich verrückten Typen mit all seinen Variiermöglichkeiten aus einem Gesicht und demselben.
Pardon, da hilft die spinnertste Kulisse und das Auffahren ziemlicher Proto-Blödies nix: aus Riemelts Arnold wird einfach kein Randle Patrick McMurphy und aus Hardy Sturm in diesem Leben kein Milos Forman mehr.
D 2008, 100 min
Verleih: Zorro
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Max Riemelt, Katja Riemann, Armin Rohde, Anneke Kim Sarnau
Regie: Hardi Sturm
Kinostart: 01.05.08
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.