Köster. Wenn man’s genau nimmt, jammert schon der Name schnöden Durchschnitt und trübes Alltagsgrau in die Welt. Von beidem hat Rolf Köster tatsächlich genug. Dieses tagtägliche Funktionieren als Papa zweier etwas merkwürdiger Kinder, als stumm nickender Ehemann, der stets "im Hintergrund" bleibt, wie Köster von sich selbst sagt. Und der stets gleiche Weg zur Sparkassenfiliale, für die er als Kassierer nun auch schon ein halbes Leben ackert. Immer wieder die selben Rituale: Guten Morgen. Danke. Bitte. Überweisung. Auszug. Kontogebühren. Auf Wiedersehen. Schönes Wochenende. Gerne. Ja, Sie mich auch! Und genau letzteres sagt der Köster eben zu lange nicht. Wachgeküßt aus diesem Alptraum von Hamsterrad wird er durch eine junge Taxifahrerin, die auch so ein bißchen neben der Spur fährt ...
Auch wenn das D-Wort nie fällt, geht es in Vollmars ganz wunderbarem, gekonnt zwischen Tragik und bissigem Humor austarierten Spielfilmdebüt um die Volkskrankheit schlechthin: Köster ist nicht nur ausgelaugt, am Ende seiner Kräfte, er hat nicht nur leere Batterien. Er ist richtig depressiv. Vollmar vermeidet bewußt den furchteinflößenden Ton einer Krankenakte. Viel subtiler und mit einem genauen Blick ins oft so fernblickende, dabei leere Gesicht Kösters zeigt sie auf, wie schleichend der Wandel vom eigentlichen "Leben" zum nur noch "Existieren" gerät, wie unaufhaltsam auch, wenn man nicht irgendwann die Kraft oder Hilfe findet, einen Schlußstrich zu ziehen. Bei Köster dauert’s eben lange, ehe er sich aus dem dreisten Rhythmus gesellschaftlich verschriebenen Stumpfsinns befreien kann.
Der jungen Regisseurin ist das sensible Eintauchen in diese einsame Welt hinter Milchglas wunderbar geglückt. Sie punktet mit schrägen, liebenswerten Typen und hat dabei auch ein sicheres Gespür für die Ernsthaftigkeit des Themas. Diese sichere Hand hatte sie übrigens auch bei der Besetzung. Dieses Ducken, dieses feine, stets abwesend scheinende Lächeln, dieses Lauern und Schleichen eines Köster kann nur ein Filmsaurier wie Gustav Peter Wöhler auf den Punkt, uneitel und in seiner Melancholie am Brillenrand so anrührend spielen. Und ihm zur Seite eine endlich mal wieder geforderte Meret Becker, die ganz fabelhaft an den Wechselstrippen ihrer ebenso tragikomischen Figur zieht.
D 2005, 86 min
Verleih: Schwarz-Weiß
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Gustav Peter Wöhler, Meret Becker, Petra Zieser, Lars Rudolph
Regie: Neele Leana Vollmar
Kinostart: 02.02.06
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.