Mahmut, ehemals ein engagierter Fotograf, lebt seit seiner Scheidung in selbst gewählter Isolation. Seine Wohnung in Istanbul ist sein Mikrokosmos. In diesen hat er sich zurückgezogen, kann walten, wie es ihm beliebt, und alles ist seiner Ordnung untertan. Soziale Kontakte hat er auf ein notwendiges Minimum reduziert, gelegentlich schläft er mit seiner Ex-Frau.
Eines Tages zieht Yusuf bei ihm ein. Der Cousin stammt aus dem selben Dorf und will sich einen Job auf einem Schiff suchen. Mahmut nimmt den Verwandten bei sich auf und gibt sich zunächst tolerant und großzügig. Doch Yusufs Anwesenheit beschränkt sich nicht auf die angekündigte eine Woche. Halbherzig nur sucht dieser nach Arbeit, und zunehmend wird er dem Einzelgänger zur Last. Bald läßt Mahmut ihn seine Mißachtung spüren ...
Der Name des türkischen Filmautors Nuri Bilge Ceylan wird dem hiesigen Publikum neu sein, dürfte sich aber einprägen, denn UZAK ist ein minimalistisches Meisterwerk. Die Welten von Mahmut und Yusuf zeichnet der Regisseur mittels willkürlich scheinender Momentaufnahmen, die als Ganzes zu einer komplexen Bildsprache finden. Ceylan verzichtet nahezu auf Dialoge. UZAK ist ein Film über das Schweigen und über die Distanz zwischen den Menschen.
Die Kamera ist in den Innenräumen sehr nah an den Figuren und ihren Handlungen, bei Außenaufnahmen setzt Ceylan auf ruhige Bilder und weite Einstellungen. Er zeigt die Diskrepanz auf zwischen dem einfach gestrickten Immigranten vom Dorf und dem emotional verkümmernden Intellektuellen in der Stadt. Die sich wiederholenden Aufnahmen der Protagonisten in den Eis- und Schneelandschaften des winterlichen Istanbuls verstärken das Gefühl des Verlorenseins, werden zum Sinnbild für soziale Kälte. Die Einsamkeit ist das Terrain, auf dem sich die zwei Charaktere begegnen, aber nicht zueinander finden. "It’s just an empty dream", sagt ein alter Seemann zu Yusuf, der weder Arbeit noch Liebe findet. Mahmut indessen beobachtet versteckt, wie seine Ex-Frau am Flughafen eincheckt, um für immer das Land zu verlassen.
Den Höhepunkt seiner Isolation hat er damit erreicht - Ceylan erzählt, wie Metropolen Menschen verändern. Gleichzeitig gelingt ihm ein sehenswerter Gegenentwurf zum hierzulande vorherrschenden Klischeebild der Türkei.
Originaltitel: Uzak - Distant
Türkei 2002, 110 min
Verleih: sanartfilm
Genre: Drama
Darsteller: Muzaffer Özdemir, Mehmet Emin Toprak, Zuhal Gencer Erkaya
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Kinostart: 31.03.05
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.