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Venus im Pelz

Firnis auf Preßholz

Roman Polanski hat, man weiß es, ein paar Klassiker des Kinos geschaffen. Einige davon sind Kammerspiele, die immer auch als geschickte Raum-Inszenierungen bestachen. Gelang es doch Polanski gut wie nur Wenigen, Innenraum und Interieurs vom bloßen Status der Kulisse zu emanzipieren, den Raum selbst als etwas heimlich Lebendiges zu zeigen. Wir sind nicht sicher in unseren vier Wänden, flüsterte das perfide. Wir sind nur gefangen in der Illusion von Sicherheit. Eine Illusion, die sich nicht selten rächt.

Auch Thomas fühlt sich sicher. In seinem Reich, dem Theater, das dem Pariser Autor und Regisseur aber gerade wenig Freude bereitet. Thomas hat eine Adaption von Leopold Sacher-Masochs berühmt-berüchtigtem Roman „Venus im Pelz“ für die Bühne verfaßt, aber keine der schon den ganzen Tag über vorsprechenden Schauspielerinnen scheint ihm passend für die Titelrolle jener Frau, die ob ihres göttinnengleichen Auftretens noch jeden Mann dorthin verweist, wo er hingehört: auf die Knie als willenloses Lustobjekt. Und auch diese Vanda, die viel zu spät und vom Regen durchnäßt noch ins Theater poltert, scheint zu ordinär und prollig für die Rolle. Und doch erliegt Thomas recht schnell ihrem Spiel. Ein Spiel, bei dem die Grenzen verwischen. Und ein Spiel, das Thomas nur verlieren kann. Auch, weil er es wohl verlieren will, sich eine Venus im Pelz schaffend, um von ihr geschaffen zu werden in endloser Demütigung.

Oder so ähnlich. Die Angebote, die Polanskis neuer Film VENUS IM PELZ an küchenpsychologischen Interpretationsmöglichkeiten aus der freudianischen Ramschkiste macht, sind mannigfaltig. Am reizvollsten mag da noch jenes Gedankenspiel sein, das sich einstellen mag ob des Umstandes, daß Thomas, der Theatermacher, wohl nicht zufällig Polanski, dem Filmemacher, ähnlich sieht. Was nicht die einzige Möglichkeit ist, den Film als ironische Selbstreflexion seines Regisseurs zu lesen. Die Wahl für die weibliche Hauptrolle wäre eine weitere. Nur ist das alles schnuppe, weil VENUS IM PELZ fatalerweise vor allem eins ist: überraschungsfreie Kopfgeburt. Frau und Mann, Dominanz und Unterwerfung, Eros und Intellekt. Eine Versuchsanordnung, die genauso pressholzhaft im Raum steht wie die Preßholz-Theaterkulissen.

Ja, sicher, ist alles ironisch gemeint, mehrfach gespiegelt und gebrochen. Aber das eben behauptet und ziemlich affektiert. Und gefirnißt mit jener geschmäcklerischen Erotik, wie sie ältere, kultivierte Herren wohl gern mal goutieren.

Originaltitel: LA VÉNUS À LA FOURRURE

F 2013, 95 min
FSK 16
Verleih: Prokino

Genre: Literaturverfilmung, Erotik, Drama

Darsteller: Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric

Regie: Roman Polanski

Kinostart: 21.11.13

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.