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Verdrängung hat viele Gesichter

Kampf um die Städte

Tatort Hinterhof: Ein Betonmischer steht vor grauen Hauswänden. Überall stapeln sich Baumaterialien. Ein Filmteam will ein paar Aufnahmen machen, wird aber kurzerhand von den Eigentümern vom Hof gescheucht. Als gebe es hier ein Geheimnis zu entdecken. Es ist ein Rohbau, überall werden Häuser gebaut, in denen Menschen wohnen. Doch hier in Berlin Alt-Treptow wird derzeit ein Kampf ausgetragen – zwischen Alteingesessenen, die jahrelang günstige Mieten zahlten, und den „Neuen.“ Das sind jene gutbetuchten Mittdreißiger, die neue Lebensräume suchen.

Das Wort ist seit langem in aller Munde: Gentrifizierung. Durch Sanierung und Neubau wird ein Stadtviertel aufgewertet, die Mieten steigen, und die, die sich das nicht leisten können, müssen wegziehen. Der Dokumentarfilm VERDRÄNGUNG HAT VIELE GESICHTER seziert detailliert diesen Konflikt. Da kommt der alte Buchhändler zu Wort, der sich am Tag fünf Euro für Essen aus der Kasse nimmt und so viel Miete zahlt, wie andere für ein Paar Schuhe ausgeben. Oder der Rocker, der von Transferleistungen lebt und, seit ein Neubau direkt vor seinem Fenster thront, angemahnt wird, die Piratenflagge vom Balkon zu nehmen. Ihre Gegenspieler sind der Architekt der teuren Eigentumswohnungen oder die junge Mutter, die sich aus Angst vor steigenden Mietpreisen lieber etwas Eigenes schafft. Das Thema ist so aktuell wie nie. Nicht nur in Berlin, in vielen anderen Großstädten Deutschlands gräbt die Knappheit von bezahlbarem Wohnraum tiefe Klüfte in die Gesellschaft.

„Es gibt keine Wohnungspolitik mehr“ ist eine Kernaussage im Film, die auch der befragte Stadtrat belegt: Der Wohnungsbau wird den Regeln des Marktes überlassen, soziale Unterschiede spielen dabei keine Rolle. Nur, wer hat Schuld an diesem Dilemma?

Der Film ist wichtig und bebildert den Kampf um unsere Städte. Schade ist, daß sich die Filmemacher vom Filmkollektiv „Schwarzer Hahn“ zu klar positionieren. Drückend lang sind die Szenen, in denen Aktivisten künftigen Wohnungsbesitzern Egoismus vorwerfen. Sind Menschen haftbar, die für sich und ihre Familie ein Haus bauen? Am Ende will jeder ein Stück vom Kuchen.

Das eigentliche Problem liegt viel tiefer im System verankert, und die neuen schönen Häuser sind am Ende eine Art steinerner Spiegel unserer Gesellschaft, die aufgehört hat, Antworten auf die soziale Frage zu suchen.

D 2014, 94 min
FSK 0
Verleih: Filmkollektiv Schwarzer Hahn

Genre: Dokumentation

Regie: Filmkollektiv Schwarzer Hahn

Kinostart: 12.02.15

[ Claudia Euen ]