Originaltitel: SEDUCED AND ABANDONED

USA 2013, 100 min
FSK 12
Verleih: Weltkino

Genre: Dokumentation

Darsteller: Alec Baldwin, Martin Scorsese, Ryan Gosling, Bernardo Bertolucci, Francis Ford Coppola, Roman Polanski

Regie: James Toback

Kinostart: 10.07.14

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Verführt und verlassen

Vom Fluch des schnöden Mammon

Preisfrage: Was haben das Filmgeschäft und der Versanddienstleister DHL gemeinsam? Es dreht sich alles um Pakete. Zumindest in der Finanzierungsphase eines Films geht es vor allem darum, ein sogenanntes Paket zusammenzustellen, mit dem die Filmemacher genug Eindruck schinden können, damit die Leute mit der Kohle selbige rausrücken, um das teure Unterfangen Filmdreh zu ermöglichen. Ein Paket besteht für einen Hollywoodproduzenten klassischerweise aus einem „heißen“ Stoff, einem namenhaften Regisseur und einem Schauspielstar.

Man möchte meinen, daß man selbiges zusammen hat, wenn James Toback, Regisseur von Werken wie FINGERS oder BUGSY, und der umtriebige Dauerbrenner Alec Baldwin ihre Köpfe zusammenstecken und gemeinsam planen, ein Erotikdrama à la DER LETZTE TANGO IN PARIS zu machen. Nun sollen 25 Millionen Dollar her, und wo kann man diese nicht unerhebliche Summe für einen großkalibrigen Arthouse-Film besser auftreiben, als beim Filmfestival in Cannes? Baldwin und Toback stoßen dort allerdings auf alles andere als offene Ohren. In Zeiten, in denen die Schere zwischen Megablockbustern und kleinen Produktionen immer größer wird, müssen die Hollywoodhaudegen erkennen, daß sie mit ihrem „Paket“ vielleicht Anfang der 90er hätten punkten können. Im schnellebigen Big Business der Branche aber scheint ihre Mission nun mit jedem Meeting aussichtsloser.

Was Toback und sein „Wingman“ Baldwin allerdings zuhauf finden, sind höchstprominente Gesprächspartner, die auf sehr unterhaltsame Weise nicht nur ihren eigenen Werdegang reflektieren, sondern sich auch erfrischend ehrlich zur Lage der Kunstform Film äußern, deren Abhängigkeit vom schnöden Mammon wohl für immer ihr Fluch sein wird. Doch bei aller Kälte und Berechnung, die sich hinter den Kulissen auf den Hotelzimmern und Yachten der Superreichen und -berühmten so offenbart, dominiert am Ende doch ein positiver Geist Tobacks Doku, den das getriebene Duo Infernale im Zentrum allein durch sein auch nach der gefühlt hundertsten Absage noch ungebrochenen Humor zu hegen schafft.

Wenn ihr Paket also auch am Ende nicht ganz – wie man neudeutsch so unschön sagt – „liefert“, und der Traum vom gemeinsamen Erotikdrama platzt, so war diese kurzweilige und erhellende Doku allein schon die Reise an die Côte d’Azur wert.

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...