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In der Außenseiterfalle

Man kann Valentin schon verstehen, wenn er wütend auf seine Mutter und die ganze Welt ist. Nach einem Snowboardunfall sitzt er im Rollstuhl und ist von seinem einstigen sozialen Umfeld komplett abgetrennt. Wenn seine Mutter ihn nun bei einem Psycho-Theaterprojekt für geistig Behinderte in einer Südtiroler Reha abliefert, kann sie ihm kaum unsanfter beibringen, wo nun sein Platz ist. Valentin rebelliert, ja, er schlägt wild um sich, in verbalen Ausbrüchen, die alles andere als politisch korrekt sind.

Der Film gesteht ihm das zum Glück zu, ohne gleich mit Belehrungen zu kommen. Valentins Rebellion gegen seine sabbernden und stotternden Mitbewohner zerbricht nicht etwa an seiner Einsicht in Toleranz und Menschenwürde, sondern die Kollegen lassen ihn mit seiner Wut einfach auflaufen. Sie verstehen ihn nämlich ganz gut. Stattdessen findet Valentin nun neue Freunde, die auch Lust auf Rebellion haben. Gemeinsam mit Lukas und Titus, denen der Alltag eigentlich noch viel größere Hindernisse zumutet, bildet Valentin eine Art Rollstuhlgang, die ihre ganz eigene Machtposition erkundet. Dazu gehört, in der Fußgängerzone immer schön in die Hacken der Passanten zu fahren – die sich alle brav bei den Unruhestiftern entschuldigen, sobald sie nur den Rollstuhl sehen.

Ein Hauch von Lars von Triers IDIOTEN weht durch diese einzige wirklich provokante Szene. Im übrigen lassen sich Vergleiche mit vielen anderen Filmen finden, so mit KROKO: Fiese junge Frau wird gezwungen, mit Behinderten zu arbeiten und entdeckt die Solidarität. Oder mit RENN, WENN DU KANNST: Querschnittsgelähmter junger Misanthrop verliebt sich in unversehrte junge Frau. Zum eigentlichen Motor für Valentins Handlungen wird nämlich eine Pflegerin, die am Theaterprojekt mitwirkt. Nicht, weil sie für ihn unerreichbar wäre, sondern weil sie schon einen Freund hat. Da gerät der Film, der ansonsten auf Improvisation setzt, in das seichte Fahrwasser der romantischen Komödie und verliert an Logik und Konsequenz. Die Botschaften werden überdeutlich, hämmern sogar musikalisch auf einen ein, in Songs wie „Ich brauch’ Dein Mitleid nicht“ oder „Vielen Dank für nichts, Du Arschloch.“ Da möchte man glatt „Ich scheiß’ auf deutsche Texte“ erwidern.

Bei dem Versuch, mit ein paar bitterbösen, satirischen Untertönen der P.C.-Falle zu entkommen, macht der Film so seine Pirouetten, um genau dort wieder anzukommen, wo er nicht hinwollte: Alle haben großes Verständnis füreinander.

CH/D 2013, 95 min
FSK 6
Verleih: Camino

Genre: Komödie, Satire

Darsteller: Bastian Wurbs, Joel Basman, Nikki Rappl, Anna Unterberger

Regie: Oliver Paulus, Stefan Hillebrand

Kinostart: 05.06.14

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...