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Vielleicht lieber morgen

Sympathie durch Ecken und Kanten

Schon wieder dieses ewige Erwachsenwerden! Das peinliche Herumlaborieren am nichtgehabten Sex, das pathetische An-der-Kindheit-kleben-aber-schon-mitquatschen-Wollen, das larmoyante Keiner-versteht-uns-Klagelied ... Halt! Zu früh geplärrt, denn VIELLEICHT LIEBER MORGEN ist so anders als die in der Tat derzeit inflationären Coming Of Age-Stories! Lustiger, tiefgründiger, frecher und von seinen Figuren her sowieso interessanter. Charlie zum Beispiel weiß wirklich nicht so recht, wohin mit sich, was auch klar ist, der Neuanfang an der Highschool, an der ihn so gar keiner kennt, ist kein Geschenk. Doch das allein ist es nicht, man spürt schnell, daß Charlie etwas mit sich rumschleppt, etwas, das ihn zu diesem introvertierten Typen erst gemacht hat.

Wie klug, sensibel und überhaupt schwer in Ordnung er ist, das fällt nur dem etwas schräg einander zugetanen Geschwisterpaar Sam und Patrick auf. Aber auch die Zwei gehören nicht zu diesen sattgesehenen Strahletypen, die sich selbst für ach so originell halten. Sam eilt der Ruf eines Flittchens voraus, was den Kern so gar nicht trifft, und Patrick, dieser lockige Schönling, versteckt seine Liebe zu Männern schlecht bis gar nicht. Diese „Kids“ haben Ecken und Kanten, die nehmen Drogen und hatten frühen und teils miesen Sex und machen dennoch nicht den Rest der Welt dafür verantwortlich. Klar, um zu bestehen, muß der eine sich schon mal prügeln, da kann der andere ihm dann beistehen.

Und das ist ohnehin der Schlüssel des Films – dieser irre Zusammenhalt! Diese Zuneigung zwischen den Dreien, jeder auf seine ganz eigene Art, aber doch mit dem gleichen Ziel – füreinander da zu sein. Das wird hier schon mal herzrührend bis witzig mit einer Wichtelei orchestriert, trashig und trotzdem mitreißend in eine Aufführung der „Rocky Horror Picture Show“ gepackt oder gleich ganz direkt mit wahrlich süßen Liebesgeständnissen garniert. Der Mob da draußen braucht solche Gegenwehr, oder wie die auch schon vom Leben gefoulte Sam – klasse von Emma Watson gespielt – mal sagt: „Let’s Go Be Psychos Together!“

Auch wenn Charlie die Hauptfigur ist und stark von Logan Lerman gegeben wird, in Erinnerung bleibt vor allem Patrick – was an Ezra Miller liegt. Diese Lebenslust, diese Wut gegen die Anpassung und diese Sehnsucht nach eben doch der einen Liebe – das blitzt aus Millers kaffeeschwarzen Augen, das wird von seinem schnippisch gezogenen Mund und zudem von einer sehr selbstbewußten Körperlichkeit unterstrichen, die im Kino nicht so häufig ist.

Originaltitel: THE PERKS OF BEING A WALLFLOWER

USA 2012, 103 min
FSK 12
Verleih: Capelight

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Literaturverfilmung

Darsteller: Logan Lerman, Emma Watson, Ezra Miller

Regie: Steve Chbosky

Kinostart: 01.11.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.