Der Nachwuchsregisseur Christian M. Müller hat sich mit VIER FENSTER viel vorgenommen. Er will zeigen, "was Familie wirklich bedeutet" und deren unsichtbare Machtverhältnisse ausleuchten. Unterstützt wird er vom renommierten Kameramann Jürgen Jürges, der unter anderem für Fassbinder, Wenders und Haneke gearbeitet hat. Die Bewunderung für Letzteren, der das Verhältnis von struktureller und latenter Gewalt immer wieder gekonnt seziert hat, spricht dem Film aus jeder Szene.
Die vier Familienmitglieder leben wie ferngesteuerte U-Boote am Grund des Meeres, bleiben so lange wie möglich auf Tauchstation, steigen nur auf, um kurz Luft zu holen und umkreisen sich ansonsten unentwegt, ohne wirklich Sichtkontakt zu haben. Ihr eingespielter und äußerst ruppiger Umgang dient ihnen als Choreographie, um Karambolagen zu vermeiden - nach Außen wirken sie wie eingespielte Synchronschwimmer. Sobald jedoch einer ausbricht, die Routine in Frage stellt, gerät das Muster aus den Fugen und sichtbar werden Einsamkeit, Gewalt und Mißbrauch.
Filme über scheinbar intakte Familien, die im Inneren hoffnungslos zerrüttet sind, bewegen sich auf einem schmalen Grat, da sie gleichzeitig die glatte Oberfläche und die darunter liegenden Verwerfungen zeigen müssen. Müller gelingt diese Gratwanderung nicht. Er macht aus seinen Figuren von vornherein Freaks, deren Einsamkeit sich vor allem durch plötzliche Wechsel zwischen absurd ritualisierten Handlungsabläufen und unfreiwillig komischen Ausbrüchen manifestiert. Die Protagonisten agieren beständig, als würden sie vor Publikum versuchen, sich selbst spielen. Das führt zu Szenen wie aus dem Schülertheater. Die allzu expliziten Dialoge wirken wie Fremdkörper in den alltäglichen familiären Interieurs, jeder Blick, jeder Kuß, jede Umarmung wird mit ausschweifender Geste gespielt, alles ist immer eine Nummer zu groß.
Auch auf der visuellen Ebene reiht sich eine bedeutungsschwangere Metapher an die andere. Weniger wäre da mehr gewesen, denn für sich genommen sind sowohl die Grundidee des Films als auch die fein komponierten Bilder sehr vielversprechend - es fehlt allein am Mut oder der Erfahrung, sie wirken zu lassen und dem Zuschauer Platz für Assoziationen zu geben.
D 2006, 80 min
Verleih: Missing Films
Genre: Drama
Darsteller: Margarita Broich, Frank Droese, Thomas Merten, Theresa Scholze
Stab:
Regie: Christian M. Müller
Drehbuch: Christian M. Müller
Kamera: Jürgen Jürges
Kinostart: 12.04.07
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.